Mittwoch, 7. Oktober 2020

Bald 60 -17

Es ist eine angesehene Zeitarbeitsfirma, die ich etwa Mitte der 1980er Jahre aufsuche, weil ich wieder Geld brauche.

Ok. Bankkaufmann (so hieß das ja damals) bin ich und kann ich beweisen. Das findet die Dame hinter dem Schreibtisch gut. Ob ich Computererfahrung habe, fragt sie, weil wenn ich sie hätte, dann könne sie mir etwas anbieten.

Dass ich die Frage mit „ja“ beantworte, ist nicht direkt eine Lüge. Ich hatte einige Zeit vorher zwei Monate lang Daten von archivierten Zeitungen und Zeitschriften in eine Maske im Computer eingegeben. Es ging um ein hausinternes Intranet. 10 Angaben pro Artikel und zack das nächste Blatt.

Ein Studentenjob in der Dokumentationsabteilung der Stadtsparkasse Köln, in der ich zuletzt festangestellt gearbeitet hatte. Ich kannte die Kollegen und sie kannten mich. Weil sie jemanden brauchten, der eine bestimmte ziemlich große Menge Daten in den Computer eingeben sollte und ihnen war eine studentische Hilfskraft für zwei Monate genehmigt worden., fragten sie mich.
Sie hatten es vorher schon ein paar Wochen mit jemandem versucht, der kaum von der Stelle gekommen war und brauchten jetzt jemanden, der die Aufgabe bewältigen würde.

Die Aufgabe war klar umrissen, also habe ich zwei Tage lang acht Stunden sehr zügig abgearbeitet und dann hochgerechnet, wie lange ich für alles Gewünschte brauchen würde. Und schnell war klar, dass ich, selbst wenn ich viel langsamer vorginge, nicht einmal einen Monat brauchte.
Also hab‘ ich meinem Chef vorgeschlagen, dass ich halbtags komme, da ich ja nur diese eine Aufgabe zu leisten hatte, und eh für zwei Monate genehmigt war.
Das wollte er nicht, weil er nicht riskieren wollte, dass man mich draußen sah.
Also arbeitete ich den halben Tag und sorgte den Rest des Tages für ein sehr schönes Betriebsklima. Man könnte auch sagen, ich hielt die anderen, einschließlich dem Abteilungsleiter, von der Arbeit ab.
Wir hatten alle Spaß, am Ende der zwei Monate waren die Daten im Computer und ich konnte, ohne zu sehr zu lügen, der Dame in der Zeitarbeitsfirma sagen, dass ich Computererfahrung hätte.

Die Firma zu der sie mich schicken wollte hatte das Wort Kommunikation im Namen. Auf die Idee, zu fragen, was in dieser Firma gemacht wird und was meine Aufgabe dort sein würde, kam ich damals nicht. Ich war immer noch sehr jung, schüchtern und ziemlich blöd in solchen Dingen.

Die Firma war auf einem Gelände auf der „falschen“ Rheinseite in Köln-Mülheim. Schanzenstraße. Früher war dort Felten und Guillaume. Ich erinnerte mich noch an riesige Kabeltrommeln, die auf dem Gelände lagerten und an denen wir als Kinder regelmäßig mit der Straßenbahn auf dem Weg zur Großmutter vorbeifuhren.

Ich war in einem Teil dieser Firma gelandet, die von Philips gekauft worden war und in der im Wesentlichen Glasfaserkabel entwickelt und getestet wurden.
Sie brauchten dort zu diesem Zeitpunkt eine Hilfskraft für zwei Sekretärinnen, die hauptsächlich Texte der vielen dort arbeitenden Ingenieure in ein Textverarbeitungssystem tippen sollte.


Tippen konnte ich ja gut. Aber meine Erfahrung mit einem Textverarbeitungssystem war gleich null. Texte hatte ich bislang auf Schreibmaschinen getippt.
Mir wurde ein Handbuch in die Hand gedrückt und so habe ich losgelegt.
Dass man am Ende einer Zeile nicht umschalten musste, dass es also quasi kein Ende einer Zeile mehr gab, erfuhr ich erst am Ende der ersten Woche.
Der Kollege, der bemerkte, dass ich umschaltete, also sah, dass ich das neumodische Ding wie eine Schreibmaschine benutzte, entlarvte somit meine „ichhabeComputererfahrung“-Lüge, verriet nichts und half mir stattdessen, wo es nötig war.

So war ich bald gut eingearbeitet und die anfängliche Lüge war keine mehr.

Sie boten mir rasch eine feste Stelle an. Ich sagte zu, unter der Bedingung, dass es keine Sekretärinnen Stelle sei. Sie schworen Stein und Bein, dass es bei begleitenden Arbeiten bleiben würde.

Als ich unterschrieben hatte, fehlte plötzlich die Sekretärin zweier Abteilungen. Nun war ich einmal da und sollte es übergangsweise übernehmen. Und dabei blieb es dann.
20 Ingenieure, 2 Abteilungschefs. Mein Büro war groß und lag zentral.
Da ich ja schnell begriffen hatte, wozu Computer fähig sind und dass ein internes Netz aus diesen Computern sehr praktisch sein kann, hatte mich schon bald ziemlich weg rationalisiert.
Die Herren tippten ihre Texte weitgehend selbst, ich brachte sie in Form und korrigierte sie so gut ich konnte, schickte sie zurück, telefonierte, kochte Kaffee, verteilte Post und war, wie so oft schon, ganz gut fürs Betriebsklima.

Als ich kündigen wollte, weil mir nämlich langweilig war, bot man mir die erste Jobsharing Stelle der Firma an, damit ich blieb. Es wurde eine zweite halbe Kraft gesucht, weil man ja davon ausging, dass eine ganze Stelle nötig war.
Wir arbeiteten im eben beschriebenen Stil abwechselnd 2 Wochen pro Monat ganztags, wenn wir nicht gerade Urlaub hatten. Denn den gab es ja auch noch.
Insgesamt habe ich dort 2 Jahre verbracht bis ich tatsächlich gekündigt habe.

Heute sehe ich das Gebäude, in das ich damals also regelmäßig ging, immer mal wieder im Fernsehen. Nach meiner Zeit dort beherbergte es später unter anderem die Viva-Studios und bis heute noch die Studios für alle Raabsendungen.

Außerdem fahre ich nach wie vor ab und an mit der Straßenbahn daran vorbei und sehe dann natürlich die riesigen Kabeltrommeln, die schon längst nicht mehr wirklich dort stehen, immer noch vor meinem inneren Auge.



2 Kommentare:

  1. das Leben schreibt die besten Geschichten, nicht wir, wir schreiben sie nur auf..lacht//
    toll...was so alles dabei herauskommt wenn man zurückdenkt,
    damit ich ich auch z.Zt.beschäftigt und höre schon im Hirnkastel die Stimmen.
    " Alte was denkste denn ständig zurück"?
    das sagen sie weil sie keine Ahnung davon haben, was MIR spaß macht beim hin-schreiben, nicht nur das zurückdenken sondern das ausformulieren..
    naja, alles können sie ja auch nicht wissen....stimmts?
    die früheren Geschichten erzählt man gern, weil
    die neuen kennen wir ja selber noch nicht
    die sich
    vielleicht ereignen werden,
    deshalb, was soll die Frage?
    oft glaub ich ja, man hats nur noch mit Analphabeten zu tun die nur Bildchen malen ud gucken kommen...wollen, aber nicht verstehen...
    hast du noch mehr davon ?
    herzlichst ein Gruß aus dem nebligen Hessen...
    da pfeifft der Wind besonders schön..
    a.n.g.e.l.f.a.c.e.

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    1. Ja. Das Aufschreiben und Ausformulieren ist es, was mir Freude macht. Jaja ... da sind noch mehr Geschichten ... ich übe mit ihnen die Schreiberei weiter. Die Resonanz auf Facebook ist erstaunlich gut. Macht zusätzlich Spaß. Ebenfalls aus pfeifendem Wind liebe Grüße
      Brigitta

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