Dienstag, 27. Oktober 2020

Bald 60 - 31

Ich glaube nicht, dass ich sonderlich musikalisch bin oder vielleicht präziser formuliert, dass ich überhaupt musikalisch bin. Und doch sollte ich Flöte spielen. Oder wollte ich das? Jedenfalls bekam ich Flötenunterricht. Das Gelernte dann im katholischen Umfeld zur Anwendung zu bringen, war leicht.

Gottesdienstbesucher waren auch damals wohl schon Kummer gewöhnt und gut im Aushalten.

Einige der anderen Jugendlichen spielten C-Flöten und ich die Altflöte. Noten konnte ich lesen und Töne treffen auch. Aber noch heute finde ich, dass Flötenstücke von Kindern und Jugendlichen gespielt, wirklich nicht sein müssen.

Ich musste jedenfalls jede Woche zum Flötenunterricht. 3 Kilometer mit dem Fahrrad übers Feld hin und die gleichen 3 Kilometer wieder zurück. Und wenn der Wind pfiff, dann pfiff er so richtig. Hatte ich auf dem Hinweg Gegenwind, machte er sich für meinen Rückweg unnötigerweise die Mühe, auch die Richtung zu ändern.

Den Unterricht gab der nur wenig ältere Sohn „unserer“ Organistin, meine Eltern zahlten und die Flötenlehrersmutter betreute dann die Anwendung des Gelernten in der Kirche.

Überhaupt war ich als Kind und Jugendliche ganz aktiv in der katholischen Kirche Beginnend mit der Gruppenmitgliedschaft in einer Jugendgruppe, dem Chor, dem Flötespielen und ähnlichem bis hin zu Vorbeterin am Altar und später dann Gruppenleiterin und Mitgründerin einer Teestube und Mitorganisatorin von Pfarrdiscos.

Als Familie gingen wir mindestens jeden Sonntag in die Kirche. Der Vater war in meiner Erfahrung „immer schon“ vorne am Altar und hat Texte vorgelesen. Er trug dafür ein schwarzweißes Gewand, ähnlich wie das rotweiße der Messdiener.

Als ich Kind war durften nur Jungens Messdiener sein und vorne am Altar gab es keine Mädchen oder Frauen.
Die von mir mit erfundene, gegründete und betreute Teestube, als ein wöchentlicher Jugendtreff in den Räumlichkeiten der Gemeinde, durfte erst nach erbitterten Kämpfen „gemischt“ stattfinden. Gewollt waren eigentlich getrennte Mädchen- und Jungentreffs.

Dass es erlaubt wurde, dass ich als jugendliches Mädchen am Altar die Lesungen lesen durfte und während der gesamten Messe dort neben dem Pfarrer saß, fiel wohl in die neuere Zeit mit leichten Aufweichungen der Traditionen.

Die Eltern sangen im Kirchenchor, der Vater war im Kirchenvorstand, die Schwester später im Pfarrgemeinderat und die Mutter half jede Woche im Altenclub.
Begonnen hat sie das mit Mitte 30. Beendet hat sie es neulich mit Mitte 80. Einige der bei Kaffee und Kuchen zu belustigenden Alten waren zum Schluss deutlich jünger als die Helferinnen.

Ich bin in einer durch und durch katholischen Familie aufgewachsen.
Wir beteten vor den gemeinsamen Mahlzeiten, meine Schwester und ich besuchten eine Nonnenschule, die Feier der größeren Feste, wie Weihnachten und Ostern wurde um die an diesen Tagen stattfindenden Hochämter herum geplant und gestaltet.

Zu runden Geburtstagen und manchen Besprechungen kam der Pfarrer zu uns zum Kaffee und meine Großmutter machte vor ihm quasi einen Knicks und senkte ihr Haupt. Wenn er dann wieder gegangen war, sagte sie oft, ungeachtet der Tatsache des Zölibats, dass, wenn sie 10 Jahre jünger wäre, er wohl ihr Typ wäre.

Später als ich vorgab, die Sonntagsmesse in der Nachbargemeinde zu besuchen, mich dort aber nur mit anderen zum Eis essen im neu gegründeten Einkaufscenter traf, wurde ich manches Mal beim Mittagessen gefragt, welche Lesung denn heute gelesen wurde. Gottseidank sprang meine Schwester häufig mit der passenden Info ein.

Mein allererster Flug überhaupt ging nach Rom mit einer Jugendgruppe der Nachbargemeinde und natürlich hätte ich kirchlich geheiratet, wenn ein Fall wie der Meine denn in den Regularien der Kirche vorgesehen gewesen wäre.

Bei der beabsichtigten Hochzeit war ich 30 Jahre alt, immer noch Mitglied der katholischen Kirche und bis dahin unverheiratet. Der zukünftige Gatte allerdings war älter, konfessionslos, vorher evangelisch und bereits einmal geschieden.

Bei so einer Konstellation konnte die Kirche selbstverständlich nicht mitmachen.
Die genauen Begründungen habe ich vergessen. Was ich aber noch weiß, ist, dass der Pfarrer, der uns beriet, darauf aufmerksam machte, dass es eine Möglichkeit gäbe, die katholisch-kirchliche Hochzeit stattfinden zu lassen.
Dafür müsste der damals zukünftige Gatte lediglich an Eidesstatt vor dem Bischof versichern, dass die erste Ehe niemals vollzogen wurde!

Daraufhin ist mir der Verzicht auf den kirchlichen Segen und der baldige Austritt aus diesem Verein sehr leicht gefallen.
Hatte ich doch auch vorher bereits genügend Einblick in das, was man freundlich Zurechtbiegen der Wahrheit nennen könnte.
Damit, und mit manch anderer Ungereimtheit zwischen dem Gebotenen und dem dann doch selbstverständlich Gelebten, hatte ich eh schon lange meine Schwierigkeiten.

Geheiratet haben wir dann ziemlich pompös. In weiß auf dem Standesamt. Und der Segen kam später aus verschiedenen anderen Traditionen.



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