Montag, 12. Oktober 2020

Bald 60 -20

Bei der Durchsicht alter Texte und Textfragmente fand ich diese Beschreibung samt Dialog, der genau so stattgefunden hat:

‚Strahlender Sonnenschein. Winter. Ich habe beide Jacken um die Taille gebunden und schwinge Schuhe samt Strümpfen in den Händen. Viele Kilometer Strand. Fast Menschenleer. Weit weg eine einzige Gestalt. Für meine Augen nicht näher definierbar. Als wir uns einander annähern, erkenne ich einen alten Mann mit einem ein wenig gebeugten Haupt. Er geht langsam, bleibt immer wieder stehen.

„Ist das nicht herrlich?“ frage ich als sich unsere Wege nah am Wasser kreuzen, obwohl ich ja weiß, dass ich es herrlich finde.

„Ohne meine Frau ist das alles nichts. Drei Wochen bin jetzt schon allein“ antwortet er.

Mittlerweile sind wir beide stehengeblieben. So unvermittelt mich die Information trifft, so wenig weiß ich darauf zu sagen. Ich schaue ihn an und er hilft mir. Oder sich?

„Ganz plötzlich war’s vorbei. Der Sohn hat mich hierhergeholt. Ist aber nix für mich.“

Mein Mund bleibt verschlossen, aber ich spüre meine Augen im Spiegel der seinen funkeln.  Er wirkt nicht unglücklich. Allein vielleicht. Unglücklich nicht. Ärgerlich wohl ja. Ob er das gewöhnt ist?

Er schimpft ein bisschen über seinen Sohn. Erwähnt, dass die Jungen das Alter nicht verstehen können und dass sein Leben insgesamt nicht das Wahre war.

„Und jetzt knirscht auch noch der Sand in meinen Schuhen.“ Pause. „Die Frau hätte gesagt, zieh‘ vorsichtshalber die Schuhe aus, wenn du durch den Sand gehst.“

„Und hätten Sie’s gemacht?“

„Nein. Natürlich nicht.“‘

Den Winter an der Playa de Palma mochte ich nicht nur wegen solcher Begegnungen immer am Liebsten.

Als wir zur Jahrtausendwende am 30.12.1999 mit Sack und Pack und Hund auf der Insel ankamen, sind wir, nachdem wir das Häuschen gelüftet hatten, zum Meer gefahren.

Ins Weite gucken und Meeresluft atmen.

25 Kilometer hin und 25 Kilometer zurück. Irgendwann haben wir das  erst aus Kostengründen und später dann aus Zeitgründen nicht mehr so oft einfach nur so gemacht.

Aber an diesem ersten Wintertag in der neuen Heimat fühlte ich mich wie im Himmel. Der Strand war, wie ich später wusste, wie jeden Winter, nicht geräumt, und voll mit Algen und riesigen Bergen von Muscheln.

Ich habe das als fantastisches Willkommensgeschenk empfunden und mehrere Tüten voll gesammelt, die ich dann später zu Hause, im nagelneuen Zuhause, gewaschen und dann einzeln auf dem Verandamäuerchen zum Trocknen ausgelegt habe. Sortiert nach solchen, die ungelocht und anderen, die bereits gelocht an den Strand gespült wurden.

Immer wieder habe ich im Winter nach Stürmen Muscheln in großer Zahl gesammelt, viele Säulen und Mäuerchen damit verkleidet und über die Jahre hunderte von Ketten gebastelt, die sich dann durch die Markt-Kunden-Urlauber tatsächlich weltweit verteilt haben.

Besonders in Erinnerung ist mir ein französisches Paar, das in Kalifornien eine kleine Boutique betrieb und bei mir auf einem mallorquinischen Markt diese Art "Pullover", die ich herstellte und einen großen Batzen unterschiedlicher Muschelketten für den Weiterverkauf erstand.

Das ist besonders hängengeblieben, weil ich manches davon später auf den Fotos ihrer Website wiedersah und mir der Verkauf ob der sehr großen Entfernung so exotisch erschien.

Dass der Winter in einem kleinen, nicht gut isolierten, Fincagebäude kalt und irgendwie immer feucht ist, wusste ich bei unserer Ankunft ja noch nicht.

An diesem ersten Abend machten wir mit dem hinter dem Haus befindlichen Holz ein Feuer im Kamin und fanden alles super.

Dass wir dringend weitere Heizquellen bräuchten wurde in den darauffolgenden Tagen klar und wir erstanden 2 rollbare Gasöfen, die wir zusätzlich nutzten und bei Extremkälte direkt vor uns aufbauten.

Jeden Abend kam der Kamin zum Einsatz und in seiner Nähe war es stets herrlich warm.

Auf der Insel wird es kaum kälter als 0 Grad, aber das fühlt sich ob der Luftfeuchtigkeit und der immer ein bisschen klamm bleibenden Textilien kälter an.

Auf dem Markt früh morgens trug ich im Winter oft neben dicker Winterkleidung zwei Paar Socken in gefütterten Schuhen und hatte trotzdem eiskalte Füße.

Ein Outfit, dass der Urlauber, der gegen 11 Uhr im möglicherweise strahlenden Sonnenschein bei gut 20 Grad über den Markt schlendert, natürlich kaum verstehen kann. Das wiederum verstehe ich gut.

Wenn ich im Winter zu Seminaren oder Besuchen nach Deutschland flog, bin ich auf das, „zieh dich dick an, hier ist es schweinekalt“ nur zu Beginn reingefallen.

Denn in Deutschland brauchte ich, wegen der überall laufenden Heizungen, neben der dicken Winterjacke für draußen, immer viel dünnere Kleidung als im mallorquinischen Zuhause. 

Heutzutage bin ich weiterhin gerne im Winter auf der Insel und suche unter anderem solche kurzen Begegnungen wie die oben beschriebene.

An der Playa de Palma, wo die Sonne, wenn sie scheint, was sie ja oft tut, gut wärmt - und in einem Hotelzimmer mit Heizung!

 

Herrlich!



2 Kommentare:

  1. du wärest, denn das geht ja im Moment und noch länger noch nicht, auch im Winter gern auf der Insel, damit zeigst du dich aber ordentlich abgehärtet muss ch dazu sagen.
    Als geborene FRierkatze würde ich mir zwar liebend gerne zu jeder Jahreszet das Meer ansehen und sobald man es kann auch reingehen als Wasserratte, aber ich glaube ich würde den Winter doch lieber in wärmeren Gefilden aufsuchen.
    eine schöne Erzählung...vor allem die Beschreibung deiner heimatlichen "Hütte" bildhaft stark.....
    vor allem die bemerkenswerte nette Begegnung mit dem alten Herrn....
    dich auf dem Markt in dicken Socken und Schuhen beim Verkauf von Muschelketten und selbstgestricktem...
    man lernt dich allmählich kennen:-))...willkommen im Club der besonderen Individualisten:-))
    jaaaahha...eine schöne Vorstellung, da hätte ich gerne herumgestöbert denn ich mag Flohmärkte jeder Art und erinnere mich gut an die bei den Franzosen, da gehört das stundenlange herumschlendern,gucken und genießen bei jedem Wetter dazu...
    ich hab mir sogar in den 70zigern ein Brautkleid erstanden das später zum Ballkleid umfunktioniert wurde...
    zu schade, dass es irgendwann nicht mehr passte!
    herzlichst angel

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    1. Im Hotel mit Heizung und draußen ab 10 oder 11 Uhr ist das Wetter dort im Winter herrlich. Und aus dem deutschen Winter kommend escheint es mir wie der Himmel auf Erden.
      Es ist alles relativ :-)))

      Ich habe jahrelang riesige Menge an Modeschmuck hergestellt, gekauft und vekauft an eine Großkundin und selbst auf 2 oder 3 Märkten pro Woche.
      Ins Wasser kann ich nicht mehr gehen, seit ich das Tracheostoma habe, aber am Strand kann ich natürlich nach wie vor laufen.
      herzliche Grüße

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