Donnerstag, 29. Oktober 2020

Bald 60 -33

Ich bin Fünf. Fünf Jahre alt und kann schon zählen. Bis zwanzig. Und das tue ich auch. Ich zähle, wo ich gehe und stehe.

Die Kacheln, die Muster, die Zweige der Bäume und Blättchen der Gänseblümchen. Abends schiebe ich mich gerade so weit an das Ende des Bettes, dass ich den Vorhang beiseiteschieben und nach draußen sehen kann.

Dann sind die Straßen leerer als am Tag. Weniger Autos. Kaum Menschen. Mich faszinieren die Lichter. Sieben Straßenlaternen gibt es in meinem Blickfeld. Eine flackert schon seit langem. Aber ich zähle sie trotzdem mit. Die große Auslage des gegenüberliegenden Geschäfts zeigt viele Dinge. Oft mehr als ich zählen kann. Ich tue es trotzdem. Muss ich halt oft wieder bei eins beginnen.

 

Während ich so zähle liege ich im Etagenbett. Im Wochenwechsel schlafen wir oben oder unten. Die Schwester und ich. Oben ist besser. Von oben sieht man mehr. Wenn ich mich dort ganz weit aus dem Bett lehne, den Kopf nach links drehe und mich mit der Nase an der Scheibe halte, sehe ich den Kletterbaum, der mir am Tag so viel Freude macht.

 

Oft sitzen wir alle im Baum und erzählen uns Geschichten. Ich auf dem zweiten Ast von unten, manche sogar noch höher. Manchmal sagen die Mütter zueinander „wie gut, dass sie so schön spielen und sich vertragen“ und zu uns dann „passt bloß auf, dass ihr nicht runterfallt“. Ansonsten kümmern sie sich um ihre Haushalte.

 

Diese Szene fällt mir immer mal wieder ein, wenn wir mit dem Fahrrad eine kleine Tour an der Rur, die man tatsächlich ohne H schreibt, machen und den pensionierten Ornithologen treffen.

Er ist stets aufgeregt, redet mit jedem, der ihm über den Weg läuft und zählt die Enten, Gänse und Vögel auf dem Wasser und an den Ufern. Er hat das viele Jahrzehnte beruflich gemacht und jetzt hilft er noch.

 

Gestern machte er uns auf die Nilgans aufmerksam. „Gar nicht hier heimisch“, „viel zu Viele“ und „sind zum Abschuss freigegeben“.

Bei Abschuss steige ich ein und frage „Alle?“. “Aber nein“, sagt er in einem Tonfall, der dem ähnelt, mit man dumme Kinder bedenkt, denen man das eigene Denken nicht zutraut. „Natürlich nicht“. "Nur ein gewisses Kontingent".

Er hätte schon 7 Schüsse gehört. Und das seien ja nur die, die er selbst gehört habe. „Aber“, so versichert er uns, „das wird natürlich kontrolliert“.

Wie, frage ich ihn nicht. Er wirkt so überzeugt, dass es nötig und auch möglich ist, dass ich ihn nur interessiert beobachte.

„Das sind einfach zu viele“. „So geht das nicht weiter“. „Die mussten so entscheiden“. „Natürlich“. Von diesen abgehackten Aussagesätzen folgten noch einige, dann ging er zählend weiter.

 

Als er am Horizont verschwunden war, bewegten wir noch einmal den Sachverhalt hin und her. Er fand ja, dass Gänse, weil sie so viele sind, erschossen werden müssen. Und das findet er zusätzlich sehr tragisch. Wir sagten einander, natürlich nur unter uns und natürlich nur als eine Möglichkeit, dass die Menge Gänse ja niemand erfahren hätte, hätte er nicht gezählt.

 

Wir zum Beispiel hatten ja an diesem Tag erst die allererste Nilgans gesehen und wir fahren oft an dem Flüsschen entlang.

Man könnte also auch sagen, sie werden erschossen, weil er gezählt und gemeldet hat. Aber das ist natürlich verrückt von uns.

 

Heute bin ich viel älter als 5 und zähle immer noch oft. Einfach nur für mich. Schritte, Kacheln, Muster, Menschen. Manchmal, wenn ich abzuheben drohe, hält mich das Zählen am Boden. Weil das so schön konkret ist. Da kann ich mich dann dran festhalten.

 

In alten Zeiten als ich noch täglich große Mengen Ketten und Armbänder gefädelt habe, habe ich es geliebt sie, im Falle der Ketten, in 10er Blöcken aufzuhängen und zusammenzubinden, oder die Armbänder zu zehnt in eine Tüte zu tun.

 

Statistiken mag ich auch. Einfach, um der Statistik willen. Zahlen aufschreiben, nachhalten, in Tabellen eintragen, Diagramme daraus zaubern finde ich herrlich.

 

Manchmal interessiert mich das Ergebnis der ermittelten und eingetragenen Zahlen, und manchmal nehme ich mir ein Ergebnis vor und verwende die ermittelten Zahlen dann in der Statistik so, dass das Ergebnis dabei herauskommt, das ich haben wollte.

Beides macht Spaß und es ist natürlich schön, dass beides möglich ist. Aber auch das mache ich natürlich nur für mich.

 

Eben habe ich wieder aus dem Fenster geschaut, während ich hinausgesehen habe, war die Ampel siebenmal rot und achtmal grün. Einmal hat jemand bei Rot die Straße überquert. Passiert ist nichts. Das ist ja auch nicht immer so.




Mittwoch, 28. Oktober 2020

Bald 60 - 32

Das Lesen habe ich mit einem Schreibschriftbuch gelernt.

Ich sehe mich noch auf der Kücheneckbank sitzen, während ich der kochenden Mutter, also ihrem Rücken, etwas daraus vorlese.

Eine Zeitlang brauchte sie starke Nerven beim Zuhören, weil ich mehr gestammelt als gelesen habe.
Und doch habe ich das flüssige Lesen ziemlich schnell gelernt.
Und als ich es konnte haben wir jede Woche in der Pfarrbücherei Bücher für mich ausgeliehen.

Ich habe enorm viel gelesen und alles mit- und nacherlebt, was ich las.
Egal, ob ich es verstand oder nicht. Egal für welches Alter die Bücher geschrieben waren und egal wie dick oder dünn sie waren.

Die Eltern waren Mitglied in einem Bücherclub und bekamen regelmäßig neue Bücher. Außerdem gab es Readers Digest Hefte und jede Menge Bücher von, ich glaube auch, Readers Digest, in denen sich jeweils vier verkürzte Romane befanden. Ich habe alles gelesen, was im Bücherschrank stand.

Zu Weihnachten und anderen Festen durfte ich mir selbst Bücher aussuchen, die ich dann geschenkt bekam.
Über die Jahre habe ich ein Buch, dessen Titel mir immer noch entfallen ist, zufällig dreimal ausgesucht. Darin ging es um ein blindes Mädchen und ihre Art die Welt wahrzunehmen und ihr Leben zu leben.

Das Buch habe ich immer erst erkannt, wenn ich bereits mit dem Lesen begonnen hatte. Äußerlich hat es sich mir nicht zu erkennen gegeben.

Mit diesem Mädchen habe ich mich sehr identifiziert. Ich stellte mir das, auch für mich, schön vor, nicht zu sehen, was ich sah.
Niemals sagte jemand zu ihr, dass das, was sie sieht, nicht sein kann, weil ihr das ja gar nicht möglich war. Jedenfalls nicht mit den körperlichen Augen. Ein herrliches Leben. Fand ich.

Ihr wurde die Welt von den anderen so beschrieben, wie die sie sahen, und sie nahm das genau so an. Was für ein Frieden. Wohl auch in ihr.

Sie sah sich und die Welt mit den Augen der anderen und da sie dem ja keinen eigenen Blick entgegensetzen konnte, gab es keinen Konflikt.
Das habe ich mir für mich auch gewünscht.

Stattdessen habe ich mich zur Konfliktvermeidung lange Zeit in die Bücher, und so in die Fantasien ihrer Autoren geflüchtet und oft darin verloren.

Bis mich später meine Psychotherapeutin in Bezug auf mein alltägliches Leben immer wieder fragte „was hat er genau gesagt?“, „was hast du genau gesehen?“, „wie waren die Gesten, die Gesichtsausdrücke, die Körpersprache“, „was ist genau passiert?“ und noch vieles mehr, dass wieder auf die genaue Beobachtung meines Lebens zielte. Statt der ungenauen, ein bisschen fantasierenden Vermutungen, mit denen ich ihr immer kam.

Mithilfe dieser Fragen habe ich geübt, wieder genau zu gucken, was geschieht. Oft schmerzhaft genau. Und mir nicht irgendetwas zu fantasieren, so wie in meinen Romanen, die ich so mochte.

Mittlerweile fürchte ich mich vor den Fantasien anderer und schaue kaum noch Filme und lese keine Romane mehr.

Held, Antiheld, Konflikt, Lösung oder offenes Ende. All das bietet das reale Leben, oder das, was ich dafür halte, ja auch zu genüge.

Dass Konfliktvermeidung für mich nicht funktioniert habe ich in all den vielen Jahren meines bisherigen Lebens auf verschiedene Arten gelernt.

Blind sein hülfe mir mitnichten. Mir bleibt nichts übrig als mit offenen Augen durch die Welt zu laufen und zu sehen, was ich sehe.

Alles Schöne, alles Hässliche, alles Widersprüchliche und auch alles Harmonische.
Vielleicht habe ich sogar die Wahl, was ich sehe.
Wer weiß das schon.
Ich, jedenfalls, gucke mal weiter.



Dienstag, 27. Oktober 2020

Bald 60 - 31

Ich glaube nicht, dass ich sonderlich musikalisch bin oder vielleicht präziser formuliert, dass ich überhaupt musikalisch bin. Und doch sollte ich Flöte spielen. Oder wollte ich das? Jedenfalls bekam ich Flötenunterricht. Das Gelernte dann im katholischen Umfeld zur Anwendung zu bringen, war leicht.

Gottesdienstbesucher waren auch damals wohl schon Kummer gewöhnt und gut im Aushalten.

Einige der anderen Jugendlichen spielten C-Flöten und ich die Altflöte. Noten konnte ich lesen und Töne treffen auch. Aber noch heute finde ich, dass Flötenstücke von Kindern und Jugendlichen gespielt, wirklich nicht sein müssen.

Ich musste jedenfalls jede Woche zum Flötenunterricht. 3 Kilometer mit dem Fahrrad übers Feld hin und die gleichen 3 Kilometer wieder zurück. Und wenn der Wind pfiff, dann pfiff er so richtig. Hatte ich auf dem Hinweg Gegenwind, machte er sich für meinen Rückweg unnötigerweise die Mühe, auch die Richtung zu ändern.

Den Unterricht gab der nur wenig ältere Sohn „unserer“ Organistin, meine Eltern zahlten und die Flötenlehrersmutter betreute dann die Anwendung des Gelernten in der Kirche.

Überhaupt war ich als Kind und Jugendliche ganz aktiv in der katholischen Kirche Beginnend mit der Gruppenmitgliedschaft in einer Jugendgruppe, dem Chor, dem Flötespielen und ähnlichem bis hin zu Vorbeterin am Altar und später dann Gruppenleiterin und Mitgründerin einer Teestube und Mitorganisatorin von Pfarrdiscos.

Als Familie gingen wir mindestens jeden Sonntag in die Kirche. Der Vater war in meiner Erfahrung „immer schon“ vorne am Altar und hat Texte vorgelesen. Er trug dafür ein schwarzweißes Gewand, ähnlich wie das rotweiße der Messdiener.

Als ich Kind war durften nur Jungens Messdiener sein und vorne am Altar gab es keine Mädchen oder Frauen.
Die von mir mit erfundene, gegründete und betreute Teestube, als ein wöchentlicher Jugendtreff in den Räumlichkeiten der Gemeinde, durfte erst nach erbitterten Kämpfen „gemischt“ stattfinden. Gewollt waren eigentlich getrennte Mädchen- und Jungentreffs.

Dass es erlaubt wurde, dass ich als jugendliches Mädchen am Altar die Lesungen lesen durfte und während der gesamten Messe dort neben dem Pfarrer saß, fiel wohl in die neuere Zeit mit leichten Aufweichungen der Traditionen.

Die Eltern sangen im Kirchenchor, der Vater war im Kirchenvorstand, die Schwester später im Pfarrgemeinderat und die Mutter half jede Woche im Altenclub.
Begonnen hat sie das mit Mitte 30. Beendet hat sie es neulich mit Mitte 80. Einige der bei Kaffee und Kuchen zu belustigenden Alten waren zum Schluss deutlich jünger als die Helferinnen.

Ich bin in einer durch und durch katholischen Familie aufgewachsen.
Wir beteten vor den gemeinsamen Mahlzeiten, meine Schwester und ich besuchten eine Nonnenschule, die Feier der größeren Feste, wie Weihnachten und Ostern wurde um die an diesen Tagen stattfindenden Hochämter herum geplant und gestaltet.

Zu runden Geburtstagen und manchen Besprechungen kam der Pfarrer zu uns zum Kaffee und meine Großmutter machte vor ihm quasi einen Knicks und senkte ihr Haupt. Wenn er dann wieder gegangen war, sagte sie oft, ungeachtet der Tatsache des Zölibats, dass, wenn sie 10 Jahre jünger wäre, er wohl ihr Typ wäre.

Später als ich vorgab, die Sonntagsmesse in der Nachbargemeinde zu besuchen, mich dort aber nur mit anderen zum Eis essen im neu gegründeten Einkaufscenter traf, wurde ich manches Mal beim Mittagessen gefragt, welche Lesung denn heute gelesen wurde. Gottseidank sprang meine Schwester häufig mit der passenden Info ein.

Mein allererster Flug überhaupt ging nach Rom mit einer Jugendgruppe der Nachbargemeinde und natürlich hätte ich kirchlich geheiratet, wenn ein Fall wie der Meine denn in den Regularien der Kirche vorgesehen gewesen wäre.

Bei der beabsichtigten Hochzeit war ich 30 Jahre alt, immer noch Mitglied der katholischen Kirche und bis dahin unverheiratet. Der zukünftige Gatte allerdings war älter, konfessionslos, vorher evangelisch und bereits einmal geschieden.

Bei so einer Konstellation konnte die Kirche selbstverständlich nicht mitmachen.
Die genauen Begründungen habe ich vergessen. Was ich aber noch weiß, ist, dass der Pfarrer, der uns beriet, darauf aufmerksam machte, dass es eine Möglichkeit gäbe, die katholisch-kirchliche Hochzeit stattfinden zu lassen.
Dafür müsste der damals zukünftige Gatte lediglich an Eidesstatt vor dem Bischof versichern, dass die erste Ehe niemals vollzogen wurde!

Daraufhin ist mir der Verzicht auf den kirchlichen Segen und der baldige Austritt aus diesem Verein sehr leicht gefallen.
Hatte ich doch auch vorher bereits genügend Einblick in das, was man freundlich Zurechtbiegen der Wahrheit nennen könnte.
Damit, und mit manch anderer Ungereimtheit zwischen dem Gebotenen und dem dann doch selbstverständlich Gelebten, hatte ich eh schon lange meine Schwierigkeiten.

Geheiratet haben wir dann ziemlich pompös. In weiß auf dem Standesamt. Und der Segen kam später aus verschiedenen anderen Traditionen.



Montag, 26. Oktober 2020

Bald 60 - 30

Heute kam mir auf einem Feldweg eine ältere Dame entgegen, die ich schon früher hörte als dass ich sie sah. „Ja, komm jetzt aber“, „Du kleiner Racker, willst du denn nicht hören?“, „Jetzt mach aber mal voran“, und „Du, du, du“.


Als wir einander näherkamen, sah ich, dass sie mit einem süßen kleinen Hund sprach, der, zwar ohne Leine, aber relativ nah und extrem brav bei ihr lief.

Als sich unsere Wege kreuzten sprang er kurz in meine Richtung und sie sagte wieder „du, du, du“ und fügte dann „ach, schämst du dich denn nicht?“ hinzu.

Ich vermute, sie erwartete keine Antwort. Weder von mir noch von ihrem Hund.
Von uns beiden hatte auch keiner etwas getan, für das er sich schämen müsste. Jedenfalls nicht in diesem Moment.

Wir hatten viele Jahre selbst 2 Hunde. Die große schwarze Dunja, mit der wir im Auto nach Mallorca ausgewandert sind und den kleinen wuscheligen Foxi, der uns dort im Wald zugelaufen ist und der später dann mit uns im Flugzeug nach Deutschland kommen sollte.

Die beiden haben einige Jahre miteinander und zusammen mit uns im mallorquinischen Wald gelebt.
Anfangs haben wir sie einfach laufen lassen, so wie sie wollten. Wie Katzen. In der Gewissheit, dass sie sich in der Freiheit wohl fühlen und immer wieder zurückkommen würden.
So war es auch. Sie bewegten sich frei und kamen, so sicher wie das Amen in der Kirche, regelmäßig nach ihren Touren zurück.

Bis zu dem Tag, als der Bauer vom Ende des Tals, in dem wir lebten, im strömenden Regen vor unserer Türe stand und sinngemäß sagte „ich weiß jetzt, wer meine Hühner jagt - und reißt. Beim nächsten Mal sind sie dran“.

Ein mallorquinischer Bauer, der selbst im Besitz von 3 Jagdhunden ist, regelmäßig zur Jagd geht, eine große Schafherde und viele andere Tiere besitzt und zu beschützen hat und bei dem das Schießen zum Alltag gehört, kommt und warnt uns naive ausländische ehemalige Städter tatsächlich, bevor er handelt. Ein Glück.

Wir haben es ihm gedankt, indem wir noch während des Regens begonnen haben, ein riesiges Areal für die Hunde zu umzäunen. Dort hatten sie tagsüber immer mal wieder Platz zu laufen, zu liegen, zu sein. Und von Stund an sind wir zusätzlich mehrmals am Tag mit ihnen an Leinen durch den Wald gestapft.

Ich glaube, die Hunde fühlten sich nicht weniger frei als vorher. Kann sein, dass die neue Regelung nur uns einiges an Freiheit genommen hat.

Wir hatten, wie gesagt, viel Glück. Denn eigentlich gab es bereits vorher schon eine Warnung.
In unserem ersten Jahr auf der Insel hatte unsere Dunja eine Mallorquinerin, die über unseren Weg lief erschreckt, indem sie auf sie zu lief und erst kurz vor ihr bremste.
Ich habe mich dafür entschuldigt, dass es passiert ist und doch bekamen wir kurz danach eine Vorladung vor Gericht. Die Dame hatte uns angezeigt. Wir waren angeklagt wegen Erschreckens.

Als es Monate später im Gericht in Palma die Anhörung gab, erschien auch die Anklägerin und zog dort im Beisein des Richters die Anklage mit der Begründung, sie wollte uns Ausländern lediglich eine Lektion erteilen, zurück.

Nach der zweiten Warnung des Schicksals durch den Bauern haben wir die Lektion dann gelernt. Das Leben ist geduldig. Gott sei Dank.

Die Dunja ist während unserer mallorquinischen Zeit sehr alt und dann auch krank geworden. Sie ist im Wald in der Umzäunung beerdigt.

Den kleinen wuseligen Wirbelwind haben wir dann Jahre später vor seiner Umsiedelung nach Deutschland für ein paar Wochen in einer Tierpension auf der Insel gelassen.

Wir waren gemütlich mit dem Auto durch Spanien und Frankreich in Richtung unserer neuen Heimat in Deutschland gereist, haben die Wohnung eingerichtet und sind dann für die letzten administrativen Erledigungen und einen kurzen Abschiedsaufenthalt in einem Hotel auf die Insel geflogen.

Den Foxi haben wir dann am Tag des Abflugs in der Pension abgeholt.
Dort habe ich mich unmöglich verhalten., weil ich mich nämlich sehr davor gefürchtet habe, „das arme Tier“ in seine Box einzusperren, und ihn im Bauch des Flugzeugs sich selbst zu überlassen.
Mein Verhalten war so verrückt, dass mich der Inhaber der Hundepension kurz vom Hund getrennt und zur Seite genommen hat, um mich eindringlich daran, zu erinnern, dass das Tier ein Tier ist und dass ich mich gefälligst dem Hund gegenüber ruhig verhalten soll.
Er versprach, dass, wenn ich meine Aufregung nicht aufs Tier übertragen würde und ihm kurz vor Abflug die Beruhigungstablette gäbe, der Flug für den Hund ein Klacks wäre.

Und der Mann hatte Recht. Bei der Ankunft hatten wir einen fröhlichen, neugierigen, wachen Hund, der uns schnüffelnd und schwanzwedelnd über den Parkplatz ins Auto und damit dann ins neue Zuhause folgte.

Wir hatten miteinander noch ein paar gute und schöne Jahre.
Er als Hund und ich als Mensch.
Ich bemühte mich um klare Anweisungen und er darum, sie so gut es ihm möglich war, zu befolgen.

Schämen mussten wir uns beide für nichts.



Sonntag, 25. Oktober 2020

Bald 60 - 29

Als ich beginne, diesen Text zu schreiben, behauptet die Smartphone Uhr es sei 9.30 Uhr, aber eigentlich ist es ja 10.30 Uhr. Das weiß ich, weil ich den Wecker noch nicht verstellt hatte.
Also weder von links nach rechts, noch seine Zeiger in irgendeine Richtung.
Einfach zur Kontrolle, weil ich mir schon dachte, dass die Orientierung am Morgen nicht so leicht für mich werden würde.

In der letzten Nacht wurde uns nämlich eine Stunde geschenkt. Ich vermute, es handelt sich um die Stunde, die neulich nachts verschwunden ist.

Ab jetzt gehen die Backofen-, Mikrowellen- und Autouhren entweder endlich wieder richtig oder die nächsten Monate um eine Stunde falsch.

Ich habe lange gebraucht, um mir merken zu können, wann man die Uhr vor, und wann man sie zurückstellt.
Seit ein paar Jahren kenne ich aber die Hilfe: im Sommer stellt man die Sonnenmöbel VOR die Laube und im Winter wieder ZURÜCK.

Für diese Sommer- und Winterzeitsache ist es ja eine gute Eselsbrücke, in der Realität mache ich das aber natürlich nicht so wie der Merkspruch suggeriert.
Mein bequemer Liegestuhl bleibt vor dem Holzhaus, also draußen. Für den Fall, dass sich die Wintersonne in unseren Garten verirrt, soll sie ruhig den Eindruck haben, sie sei willkommen und sehen, dass für ihre Nutzung alles parat steht.

Heute war ich schon früh wach und als ich auf die Uhr geguckt habe, habe ich gleich begonnen, umzurechnen. Also jedenfalls habe ich das versucht. Es ist so und so viel Uhr, aber eigentlich ja erst xy oder etwa schon yx?
Kurz nach dem Aufwachen gar nicht so einfach.

Jedes halbe Jahr schleppe ich diese Unsicherheit noch einige Zeit mit mir herum. Zum Beispiel wenn ich Hunger habe, es aber noch nicht 1 Uhr ist oder ich noch keinen Hunger habe, es aber schon 1 Uhr ist. Ich muss mich enorm konzentrieren, meinen automatischen Rhythmus der willkürlich bestimmten Zeit, anzupassen.

Irgendwann habe ich es dann und denke nicht mehr darüber nach.
Dann sind alle meine zeitlich gebundenen Rituale wieder schön und einfach hilfreich.

Wir haben nämlich zum Beispiel eine relativ feste Mittagessenzeit. Die hat den Vorteil, dass wir nicht jeden Tag darüber verhandeln müssen und im Normalfall die Körper sich mit ihrem Hungergefühl darauf einstellen.

Eine gemeinsame gemütliche Mahlzeit am Tag finde ich prima. Schon lange ist das bei uns das Mittagessen. Wenn ich das bekomme, brauche ich den Rest des Tages nicht mehr besonders viel.
Wenn ich aber nicht weiß, ob und wann es zu essen gibt, habe ich dauernd Hunger. Verrückte Sache, das.

Ich liebe Rituale. Und am liebsten wäre mir, wenn die Uhrzeit sich in keine Richtung verschieben würde, sondern einfach immer gleichbliebe.

Obwohl wahrscheinlich meine Rumrechnerei ein größeres Problem als die eigentliche Verschiebung ist. Wenn ich mich nicht mehr im Umrechnen versuche, gleicht sich der Körper einfach an.

Oder anders gesagt, wenn ich mich mehr auf die Zeit als auf die beschreibende Zahl konzentrierte, könnte wohl von Anfang an alles prima sein. Vermute ich. Also könnte.

Als ich als junge Frau in der Eckkneipe der Straße, in der ich wohnte, arbeitete, war es auch meine Aufgabe, Sonntagmorgens zum Frühschoppen zu öffnen. Zu einer bestimmten Zeit. Normalerweise kein Problem für mich.

Zuverlässig war ich eigentlich immer. Außer wenn diese Zeitumstellungssache war. Ich wusste es oft einfach nicht. Damals ohne Uhren, die sich von selbst umstellen, ohne Computer und ohne Smartphones.
Wenn ich kein Fernsehen geschaut, kein Radio gehört habe und mir nicht zufällig jemand vom bevorstehenden Ereignis erzählt hat, habe ich das einfach verpasst.
Im Falle der Winterzeit war das ja nie ein Problem. Wenn ich zu früh war, habe ich eben einfach gewartet. Schwierig wurde es im Sommer.

Im Falle der nicht rechtzeitig geöffneten Kneipe handelte es sich nämlich um die Umstellung zur Sommerzeit. Das Ding mit der gestohlenen Stunde während der Nacht.

Damals haben die Stammgäste Steinchen an mein Fenster geworfen und als das nichts half, haben sie meine Mitbewohner und mich rüde aus den schönsten Träumen geklingelt. Ich habe dann bewiesen, dass ich irre schnell sein kann, wenn es drauf ankommt. Auch eine Erfahrung.

Jetzt mache ich mal Schluss mit dem Schreiben für heute, denn eigentlich ist es ja schon viel später als die Uhr behauptet und ehe ich mich versehe habe ich Hunger. Glaube ich jedenfalls. Könnte zumindest so sein. Naja. Ich warte mal ab. Wird schon alles wieder Routine werden. Morgen dann. Oder übermorgen.




Freitag, 23. Oktober 2020

Schönes Wochenende und herzlichen Dank!

 Und (sams)-täglich grüßt das Murmeltier

🧡🧡🧡

Ich danke hocherfreut in die Runde
für die (wochen)-tägliche Leserei

🧡🧡🧡

Habt ein fröhliches Wochenende

🧡🧡🧡

Am Montag geht's weiter

🧡🧡🧡