Montag, 30. November 2020

Päuschen bis 14.12.

Nach Abschluss der Indien-Fortsetzungsgeschichte haben wir uns wohl alle ein Päuschen verdient ... :-)))


Wieder einmal herzlichen Dank Euch für die Begleitung in meine Geschichte(n)

Montag, den 14. Dezember geht es weiter ...

Lasst es Euch gut gehen bis dahin!





Sonntag, 29. November 2020

Bald 60 - 47 (𝐹𝑜𝑟𝑡𝑠𝑒𝑡𝑧𝑢𝑛𝑔 𝑢𝑛𝑑 𝐴𝑏𝑠𝑐ℎ𝑙𝑢𝑠𝑠 𝑣𝑜𝑛 𝑢𝑛𝑑 𝑧𝑢 𝑁𝑟. 42 & 43 & 44 & 45 & 46)

Auf der Busfahrt nach Goa freute ich mich auf Sonne und Meer. Und darauf, beides miteinander zu genießen. Ich fand ein billiges Zimmer in einer privaten Unterkunft ganz nah am Strand und verbrachte neben einigen kleinen Ausflügen zu Märkten, auf denen ich schönste Ware zum Weiterverkauf fand, viel Zeit lesend am Strand.

Es war herrlich. Wunderbare Ruhe und doch viel zu schauen.
Dort zum Beispiel sah ich zum ersten Mal Inderinnen mit diesen roten Zähnen vom Betelblätter- und Betelnusskauen. Das erhöht die Speichelproduktion so, dass sie ständig blutrot spucken. Interessant und wie ich heute weiß, üblich, wachhaltend und sehr schädlich.

In Strandnähe war Goa genau das, was man sich vorstellte, wenn man von den Hippies vergangener Tage wusste, die dort tatsächlich immer noch waren und wahrscheinlich heute noch zu finden sind. Eine Art Ibiza im fernen Indien.

Knapp zwei Tage vor meinem Rückflug nach Deutschland bestieg ich wieder einen Bus. Diesmal nach Bombay (heute Mumbai). Und mittlerweile mit einer sehr großen Reisetasche voll mit Kleidung und Schmuck zum Weiterverkauf in Deutschland.

Diese Fahrt dauerte einen vollen Tag und eine daran anschließende Nacht. Unter anderem, weil der Bus zwischendurch repariert werden musste.
Während der Pausen, die der Bus dafür und darüber hinaus an kleinen Imbissstellen machte, „adoptierten“ mich zwei junge indische Männer.
Sie weckten mich zu den Haltepausen, boten mir von ihrem Proviant, warnten mich vor manchem Essen in den Buden am Wegesrand, zeigten mir, wo ich Pinkeln gehen konnte und sorgten dafür, dass ich immer rechtzeitig wieder in den Bus zurückfand. Freundlich und völlig unaufdringlich.

In der Nacht wurde ich Zeugin einer Alkoholvernichtung im großen Stil. Die Einfuhr von Alkohol ins benachbarte Bundesland war offensichtlich nicht erlaubt. An der Grenze hielt der Bus und im Stockdüstern stiegen viele Polizisten ein und durchsuchten das Gepäck aller Reisender.
Sie konfiszierten jede Flasche, die sie finden konnten und zerschlugen sie am Wegesrand. Da war einiges zusammengekommen und es roch bis in den Bus hinein extrem nach dem Alkohol, der jetzt draußen zwischen den Glasscherben in den Boden sickerte.
Ich erinnere die Stimmung als sehr gespenstisch und skurril.

Gegen Morgen fragten mich die beiden Inder, die sich meiner angenommen hatten, wo ich denn in Bombay aussteigen wollte. Darüber hatte ich mir natürlich überhaupt keine Gedanken gemacht, obwohl das bei einer Stadt von damals um die 10 Millionen Einwohnern und entsprechender Größe vielleicht gar nicht so blöd gewesen wäre.

Aber das Leben hatte mir Naivling ja die beiden Herren geschickt, die auf mich aufpassten. Ich erzählte ihnen, dass ich am späten Abend vom internationalen Flughafen aus meinen Rückflug haben würde. Also beschlossen sie, dass ich mit Ihnen in der Nähe des Juhu Beach aussteigen sollte, rieten mir, dort für den Tag noch ein Hotelzimmer zu nehmen, damit ich mich nach der Fahrt und vor dem Flug noch Duschen und frisch machen könnte.
Ich hätte dann ja den ganzen Tag noch am Strand zur Verfügung und könnte abends mit der Rikscha zum Flughafen fahren. Das sei nicht weit.

Also stieg ich, als sie mich riefen, mit ihnen aus. Sie orderten eine Rikscha und verstauten mich mit meinem und sich selbst mit ihrem eigenen enormen Gepäck routiniert in der kleinen Rikscha mit dem Plan, erst den einen von ihnen nach Hause zu bringen und dann mir ein Zimmer zu suchen.

Das Nachhause bringen gestaltete sich so, dass er mich Europäerin ins Wohnzimmer bat, und im Nachbarzimmer alle seine dort noch schlafenden Familienangehörigen weckte, damit sie mich sahen und begrüßen konnten.
Also schüttelte ich etwa 20 Hände, die zu verschlafenen in der Reihe aufgestellten Menschen gehörten, bedankte mich wortreich und verabschiedete mich unter ebenso vielen sehr freundlichen Gesten und Worten dieser netten fremden Menschen.

Zurück in der Rikscha ließ der zweite Inder den Fahrer verschiedene Hotels anfahren und fragte jeweils nach, ob sie ein freies Zimmer für mich hätten. Nichts war frei.

Bevor ich weitererzähle, muss ich sagen, dass ich mir für die Reise verschiedenes vorgenommen hatte, was ich gerne sehen würde. Fast alles hatte geklappt, nur eine Sache war noch offen.
Ich hatte bisher keinen Krishna-Tempel gefunden, den ich hätte besuchen können. Das wusste dieser junge Mann aber natürlich nicht.

Zurück zur Zimmersuche. Einen Versuch wollte mein Begleiter noch machen, sagte dem Fahrer eine Adresse und ich sehe beim nächsten Abbiegen, dass wir durch einen riesengroßen Bogen mit der Aufschrift KRISHNA TEMPLE fahren.

Daran angegliedert war ein Hotel, das ein Zimmer für mich frei hatte. Ich konnte vom Balkon aus in den Tempel gucken.

Der junge Mann brachte mich noch aufs Zimmer, gab mir seine Visitenkarte für den Fall, dass ich am Tag noch Hilfe bräuchte und verschwand!

Ich hatte einen herrlichen Tag im Tempel, am Stadtstrand und kaffeetrinkend auf der Terrasse des Holiday Inn mit Meerblick.

Als ich ausgeruht, geduscht und fröhlich am Flughafen ankam, sehe ich groß und breit an der Anzeigentafel, dass mein Flug ersatzlos gestrichen ist.

Es hieß, dass wir, die nun gestrandeten Passagiere dieser Maschine, ein Hotelzimmer bekommen könnten, da es möglicherweise am nächsten Tag einen Flug dieser Gesellschaft nach Frankfurt gäbe.

Wir könnten aber auch versuchen, kostenlos und ersatzweise von einer anderen Fluggesellschaft mitgenommen zu werden.

Mitten in der riesigen Aufregung von hektischen Reisenden, die sich schimpfend für den Transfer zu den versprochenen Zimmern anstellten, bin ich ganz ruhig von Schalter zu Schalter gegangen und habe freundlich mitgeteilt, dass ich gerne mit nach Frankfurt fliegen würde. Es kamen vier Maschinen infrage.

In dieser Gelassenheit haben sich mir 7 weitere Passagiere angeschlossen. Uns wurde gesagt, wir sollten warten und immer mal wieder nachfragen, ob es freie Plätze gäbe.

Wir haben unser aller Gepäck an einer Stelle so aufgestellt, dass wir von allen Schaltern gesehen werden konnten. Jeweils zwei von uns haben aufgepasst, sodass die anderen sich noch einige Zeit im und vor dem Flughafen bewegen konnten.

Für den Fall, dass nicht alle an diesem Abend einen Platz in einem anderen Flieger bekommen könnten, hatten wir eine Reihenfolge festgelegt, die sich danach richtete, wer am dringendsten am Morgen in Deutschland erwartet würde.

Um die Wunder dieser Reise vollständig zu machen, kam gegen Mitternacht ein hektischer Mitarbeiter von Delta-Airlines und scheuchte uns alle mitsamt dem großen Gepäck durch die Kontrolle direkt ins Flugzeug.
Wir flogen Nonstop. Und ich war 5 Stunden früher in Frankfurt als mit der ausgefallenen Maschine, die planmäßig in Dubai zwischengelandet wäre.

Es war nicht meine letzte Indienreise, aber die bei weitem spektakulärste.



Donnerstag, 26. November 2020

Bald 60 - 46 (Fortsetzung von Nr. 42 & 43 & 44 & 45)

In Puttaparthi angekommen und aus dem Bus gestiegen, erlebte ich die gleiche Wuselei wie bisher in Indien.


Jede Menge Menschen, bettelnde Kinder und Erwachsene, Menschen, die mir an der Kleidung zogen und irgendetwas zu verkaufen hatten und hier noch zusätzlich im ganzen Ort riesige Fotos von jemandem, der, in meinen damaligen Augen, wie Roberto Blanco mit langen krusseligen Haaren in einem orangenen Gewand aussah.

Ich fand es schrecklich. Wie kann man nur einen solchen Personenkult machen? Ich war genervt und völlig im Widerstand.
Weil ich aber schon mal da war, suchte ich mir ein Hotelzimmer, ließ meine Sachen dort und schaute mir diesen Ashram wenigstens mal an.

Man betrat ihn durch große Tore und kam so in ein riesiges Terrain, in dem lauter vergeistigte Menschen herumschlurften. Die Frauen in bunten Saris, auch die Nichtinderinnen.
Das fand ich damals am allerschrecklichsten. Wie kann man sich bloß so anbiedern? Und die Männer in weißen Hosen und weißen Hemden. Einheitlich. Fand ich auch furchtbar.

Irgendwann mitten in meinem verurteilenden Herumlaufen und Gucken habe ich durch systematische Befragungen herausgefunden, was da im Ashram täglich geboten wird und wie das funktioniert, dass ich mir das mal ansehen kann.

Passend zu meiner Stimmung wurde mir erst einmal gesagt, dass ich andere Kleidung bräuchte. Entweder einen Sari oder eine Tunika mit Hose oder mindestens einen großen Schal über die Schultern.
Könnte ich draußen vor den Toren des Ashrams im Ort kaufen.

Dann sollte ich zu einer bestimmten Uhrzeit zum Anleinen auf die Frauenseite kommen. Da waren tatsächlich die Frauen und die Männer getrennt. Die Männer in der riesigen Halle auf der linken und die Frauen auf der rechten Seite.

Bevor man eingelassen wurde, musste man lange in Reihen vor dem Eingang sitzen. Dann wurde ausgelost, in welcher Reihenfolge die Reihen in die Halle durften.
Später erfuhr ich, dass das bestimmte, ob man für drinnen dann eine Chance auf die erste, oder wenigstens vordere Reihen hat.
All das wusste ich natürlich damals nicht und die Bedeutung vorderer Reihen kannte ich auch nicht.

Nichtsdestotrotz habe ich mir eine einfache Tunkia mit Hose gekauft, ich dachte ja, ich brauche das nur einmal, weil ich mir, so völlig im Widerstand, nicht vorstellen konnte, diese seltsame Prozedur nach dem ersten neugierigen Erkunden, jemals wieder mit zu machen, und habe mich in die Wartenden vor dem Fraueneingang eingereiht.

Irgendwann wurden wir hineingelassen in eine pompöse riesengroße Halle, in die sehr viele tausend Menschen passten und tatsächlich auch dort waren. Alle ziemlich still auf dem Boden sitzend. Auf der Frauenseite ein Meer aus Farben. Wunderschön diese Vielfalt. Hauptsächlich saßen dort Inderinnen, aber auch schon damals eine Menge Westlerinnen. Größer, weißer und ein bisschen lauter und unruhiger als die Inderinnen.

Man hatte mir gesagt, dass Sathya Sai Baba, das war der Name des Typen auf den Fotos, die es in allen Größen dort überall gab und in dessen Ashram wir uns befanden, dort gleich einen Darshan geben würde. Was das bedeutet und wie das vonstattengehen würde, wusste ich nicht.

Das einzige, was ich mittlerweile herausgefunden hatte, war, dass man ihn dort als Avatar, als Inkarnation Gottes, verehrte. Hier in unserer Kultur würde man ihn vielleicht Heiligen nennen.

Ich saß also lange Zeit mit den vielen anderen Frauen auf dem Steinboden in der großen Halle, betrachtete mir die aufwändig verzierten Säulen und die vielen Dinge und Menschen, als ich plötzlich anfing, zu weinen. Einfach so. Ich weinte fast schluchzend. Hatte keine Ahnung, warum oder worum, bis ich in der Ferne eine kleine orangene Gestalt entdeckte, die langsam durch die Wege in der Halle ging.

Offenbar hatte ich angefangen zu weinen, als er die Halle betrat und es hielt an bis er nach etwa einer Stunde die Halle wieder verließ. Was er genau in der Zwischenzeit gemacht hat, hatte ich bei diesem ersten Mal gar nicht genau mitbekommen.

Dieses Erlebnis war so spektakulär für mich, dass ich natürlich blieb und diese Prozedur eine Woche lang morgens und nachmittags mitmachte. Jedes Mal, wenn er die Halle betrat weinte ich und wenn er wieder hinausging, stoppten die Tränen von selbst.
Nicht beeinflussbar von mir.

Drum herum fand ebenfalls zweimal am Tag wunderschönes Bhajan-Singen in der gleichen Halle statt. Dass viele tausend Menschen miteinander singen, war, auch wenn ich damals noch nicht mitsingen konnte, ein beeindruckendes Erlebnis.

Während dieser Woche habe ich zusätzlich begonnen, mich mit den Lehren von Sai Baba zu beschäftigen und finde sie auch heute noch, viele Jahre nach seinem physischen Tod und noch mehr Jahre nach meinem letzten Besuch in diesem Ashram, hilfreich.

Als ich meine Reise am Ende der Woche fortsetzte, war ich ein bisschen weicher und kaum noch im Widerstand, weder mit dem Ashram, diesem orangenen Typen mit dem Afrolook, noch mit Indien.

Ich hatte mich akklimatisiert und bestieg diesmal mit Büchern von und über Saibaba, meinen üblichen Bananen und der Flasche Wasser wieder einen Bus. Diesmal in Richtung Goa.

𝐹𝑜𝑟𝑡𝑠𝑒𝑡𝑧𝑢𝑛𝑔 𝑓𝑜𝑙𝑔𝑡 𝑎𝑚 𝑀𝑜𝑛𝑡𝑎𝑔



Mittwoch, 25. November 2020

Bald 60 - 45 (Fortsetzung von Nr. 42/43/44

Da war ich nun in einem kleinen Arbeitszimmer und saß einem Inder gegenüber, der etwas in der Hand hielt, das wie ein Holzscheit aussah, aber Palmblatt genannt wurde.

Es war übersät mit für mich unleserlichen Schriftzeichen.

Auf dem Schreibtisch stand ein Kassettenrekorder, mit dem er auf meine mitgebrachte Kassette speicherte, was gesprochen wurde.
Die Kassette habe ich lange aufgehoben und irgendwann in einem meiner Aufräum- und Minimierungswahns vernichtet. Das Wesentliche aber hatte ich mir eh gemerkt.

Er begann damit, mir etwas von meiner Vergangenheit zu erzählen, das zu vielen Prozent stimmte. Eltern, eine Schwester, ich die ältere. Er nannte das Jahr, in dem ich mich auf den spirituellen Weg begeben habe. Es war das Jahr, in dem ich meine Psychotherapie und daran anschließend die therapeutische Ausbildung begonnen hatte.

Er sagte, dass ich mein Geld mit dem Verkauf schöner Dinge aus Welt verdiene, meine Fähigkeiten im heilerischen Bereich lägen und ich eines Tages Bücher schreiben würde. Nun ja.

Als er mir meinen Mann beschrieb musste ich eingreifen, denn er beschrieb seinen Vorgänger. Nach meinem Veto sagte, er „ja dann ist er viele Jahre älter als du …“. Das und der Rest traf auf den Gatten zu.

Während er sagte, dass wir ein Haus kaufen würden, in dem wir ein Heilzentrum betreiben werden, stand er auf und zeigte auf einer an der Wand hängenden Weltkarte den Mittelmeerraum. Ob direkt Spanien, weiß ich nicht mehr. Aber die Gegend war es.
Dazu sagte er noch manche Details, die ich hier nicht erzählen kann, weil es Informationen von anderen Beteiligten enthält, die aber genauso eingetroffen sind und uns das Auswandern mit Haut und Haar erleichtert haben.

Er erzählte mir von verschiedenen Vorleben und den Fähigkeiten und Aufgaben, die ich aus ihnen mitgebracht hätte.
Und er sagte, dass ich frei mit 89 Jahren entscheiden würde zu gehen. Weil ich dann nichts mehr wollen und wünschen würde.

Zu diesem Zeitpunkt war ich 37 und auf meinem anschließenden Fußweg durch das Verkehrsmittelfreie Bangalore in Richtung Überlandbusbahnhof dachte ich immer nur in Schleife: „Mannomann noch mehr als 50 Jahre! Und ich habe doch schon so viel erlebt!“

Es war nicht alles richtig, was er über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erzählte, aber vieles schon. Vieles ist genauso, wie er es gesagt hat, eingetroffen, manches (noch?) nicht.

Vielleicht ist es ähnlich zu astrologischen Beratungen im Westen. Die Daten, auf denen beides beruht, sind ja die Gleichen und die Deutung variiert von Astrologe zu Astrologe.
Die Grundfakten stimmen bei allen überein und die Feinheiten sind vielleicht persönliche Deutungsunterschiede.
Ich weiß nicht genau, was es mit diesen Palmblättern auf sich hat.

Später war ich noch einmal dort. Gleiche Adresse, anderer Leser. Während einer Reise, die ich für eine Gruppe deutscher Frauen aus anderem Anlass organisiert hatte.
Vieles was ihnen gesagt wurde stimmte, manches nicht. Manche fanden es wertvoll und manche nicht so sehr.
Dieser zweite Palmblattleser betonte immer wieder: „Ich sage nicht, du sollst das und das tun, sondern ich sage, es wird das und das passieren.“
Wer weiß, vielleicht stimmt das? Oder auch nicht. Wie bereits erwähnt, weiß ich es nicht.

Was ich aber aus Erfahrung sagen kann, ist, dass mir diese Sitzung und die Informationen, die ich dort erhalten habe, gutgetan haben und mich manches haben machen lassen, das ich mich ohne die Info nicht getraut hätte oder aus Trotz nicht hätte machen wollen. Und doch führte all das zu wertvollen Erfahrungen, die ich nicht missen möchte.

Nun hatte ich also am 4. Tag meiner dreiwöchigen Reise den einzigen fixen Programmpunkt erledigt und stand bereits am frühen Vormittag wieder mit meinen beiden Täschchen auf der Straße am anderen Ende der Welt und musste herausfinden, was als nächstes passieren sollte.

Mein Gefühl der Unsicherheit in diesem unbekannten Land hatte sich noch nicht vollends verflüchtigt und so entschied ich am Busbahnhof angekommen, den Bus nach Puttaparthi zu nehmen. Erstens war das einer der wenigen Busse, die an diesem Tag fuhren und zweitens hatte ich meinem Reiseführer entnommen, dass es dort einen Ashram gäbe.
In meiner Vorstellung war das ein geschützter kleiner, überschaubarer Ort, an dem ich mich weiter an Indien gewöhnen könnte und Zeit und Ruhe hätte, das eben gehörte zu verarbeiten.

Das jedenfalls hielt ich für die Gründe, warum ich also, wieder mit ein paar Bananen und einer Flasche Wasser im Gepäck, in den Bus nach Puttaparthi stieg.

𝘍𝘰𝘳𝘵𝘴𝘦𝘵𝘻𝘶𝘯𝘨 𝘧𝘰𝘭𝘨𝘵 𝘮𝘰𝘳𝘨𝘦𝘯



Dienstag, 24. November 2020

Bald 60 - 44 (Fortsetzung von Nr. 42 & 43)

Die Fahrt von Madras nach Bangalore im Nachtbus war zugig und lang. Die Frage, ob ich den klimatisierten oder den normalen Bus nehmen wollte, hatte ich mit „normal“ beantwortet und erfuhr während der Fahrt, dass das bedeutet, dass während der heißen Nacht alle verfügbaren Fenster geöffnet sind und es enorm zieht.


Jede Ritze im Bus war mit Menschen und Taschen gefüllt, während das große Gepäck hoch aufgetürmt auf dem Dach mitfuhr.
Alleine das Schauspiel des Gepäckstapelns und Festschnallens war ein spannender Krimi. Daran waren viele, viele Männer beteiligt, so wie überall immer viele Männer an allem beteiligt sind. Manche kletterten geschickt wie Äffchen auf dem Bus herum, andere schleppten die Taschen und Koffer heran und offensichtlich gab es auch noch einige, die den Überblick bewahrten. Jedenfalls wurde das Gepäck und Zeugs wohl jeweils dem richtigen Bus zuteilt. Beeindruckend.

Der Bus suchte sich in der Stadt dann seinen Weg durch andere Busse, Autos, Rikschas, Fahrräder und Rinder. Alle hupten laut und irgendwie ging das gut. Als die Huperei gegen Abend auf der Landstraße weniger wurde, es in der beginnenden Dunkelheit auch nicht mehr so viel zu gucken gab, konnte ich tatsächlich auch ein wenig schlafen.

In den frühen Morgenstunden wurde es dann wieder spannend. Es war immer noch dunkel, aber im Bus stieg die Aufregung, denn der Busfahrer bemühte sich durch zielgerichtete Raserei über die schlechten Straßen tatsächlich vor 6 Uhr morgens in Bangalore einzutreffen. Und was soll ich sagen? Er schaffte es.

Um viertel vor sechs brachte er den Bus mit quietschenden Reifen zum Stehen und es wimmelte überall noch von Taxen und Rikschas auf der Suche nach den letzten Fahrgästen für den Tag.
Ich hielt dann mehreren Rikscha-fahrern die aus dem Buch heraus gerissene Adresse unter die Nase. Einer nickte und deutete auf den Innenraum seines Gefährts. Ich stieg ein und nahm an, dass er die Adresse kannte. So war es wohl nicht, denn er hielt alle paar Minuten irgendwo an und zeigte meinen Zettel vor.

Einem weiteren Wunder nicht unähnlich, lud er mich dann an einem Haus ab, dass mit einem Baustellenbretterzaun umzäunt war, mit der Versicherung, dass das die Adresse sei, zu der ich wollte.

Da war ich nun. Morgens um halb sieben mit meinen zwei Täschchen am anderen Ende der Welt vor einem Bretterzaun.
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wo ich war, und zum Klopfen war es wirklich zu früh, setzte ich mich auf die Stufen vor dem etwas vor der Stadt gelegenen Haus und guckte mir das Treiben im noch Dunklen auf der Straße an.

In langen Reihen gingen die Bauern gemächlich mit ihren Warenkarren hintereinander in Richtung Innenstadt, oder Markt oder was weiß ich. Jedenfalls hatte ich viel zu gucken. Obst, Gemüse, Blumen und auch Gebrauchsartikel.

Als die Sonne langsam aufging und es dort, wo ich saß ein wenig dämmerte, sah ich auch Menschen aus den Nachbarhäusern herauskommen und hineingehen. Gegen 8 Uhr habe ich mir dann endlich ein Herz gefasst und geklopft.

Und nach einiger Zeit öffnete sich die Tür einen Spalt und heraus lugte der Mann, dessen Foto ich bereits aus dem Buch kannte, das mich dorthin gelockt hatte.

Freundlich fragte er, was ich wollte und ob ich einen Termin hätte.
Darauf, dass ich einen Termin brauchen würde, war ich nicht gekommen. Naiver als ich damals konnte man wohl nicht sein. Aber er blieb freundlich, ging zurück ins Haus und kam mit seinem Kalender wieder.

Er wollte mir wohl gerne einen Termin geben. Vier Wochen später wäre der erste mögliche freie gewesen.
Zack. Normalerweise hätte ich mich also dankend verabschieden müssen und den Plan, eine Palmblattlesung zu bekommen, aufgeben sollen. Aber ich verhielt mich völlig anders.

Ich blieb automatisch wie angewurzelt stehen. Dankte ihm wohl, sagte, dass ich nur 3 Wochen in Indien sein würde und blieb, wie gesagt, einfach stehen. Ich habe nicht gejammert, nicht gebettelt. Im Gegenteil, ich habe ihm mein Verständnis ausgedrückt, gesagt, dass ich das schade finde, dass es nicht klappt und bin einfach nicht gegangen.

Daraufhin hat er mich rein gebeten, mir und sich einen Kaffee gekocht, ging sich umziehen und als er wiederkam, war ihm eingefallen, dass ja heute manch einer wegen des Streiks seinen Termin nicht wahrnehmen können wird, weil er den Weg vielleicht nicht oder nicht rechtzeitig schaffen wird.

Also führte er mich in eine Art Wartezimmer, deutete auf einen Stuhl und ging.
Nach ein paar Minuten kam er wieder, fragte nach meinem Geburtsdatum, dem Geburtsort und der –zeit und verschwand erneut.

Eine viertel Stunde später kam er mit einem Palmblatt in der Hand wieder und bat mich in seinen Arbeitsraum.

Er hatte sich meiner ruhigen Penetranz oder was auch immer gebeugt und begann an diesem Tag vor dem ersten Termin zu arbeiten.

𝐹𝑜𝑟𝑡𝑠𝑒𝑡𝑧𝑢𝑛𝑔 𝑓𝑜𝑙𝑔𝑡 𝑚𝑜𝑟𝑔𝑒𝑛




Montag, 23. November 2020

Bald 60 - 43 (Fortsetzung von Nr. 42)

 43


𝐸𝑟𝑠𝑡𝑒 𝐹𝑜𝑟𝑡𝑠𝑒𝑡𝑧𝑢𝑛𝑔 𝑣𝑜𝑛 Nr. 42

Die Mitte Dezember getroffene Entscheidung, im Januar des neuen Jahres nach Indien zu fahren, zog nun manches nach sich.

Zunächst einmal musste ich einen Flug buchen. Da wir von Mitte der 1990er Jahre sprechen, musste ich dafür in ein Reisebüro. Und um herauszufinden, wohin ich fliegen sollte, wenn ich nach Bangalore wollte, hatte ich auch nicht google maps zur Verfügung, sondern musste dafür den Atlas konsultieren, bzw. mich auf den Gatten verlassen, der Stein und Bein schwor, dass Madras der dazu nächste Flughafen sei.

Also buchte ich für Mitte Januar Hannover-Madras und zurück Bombay (heute Mumbai) –Hannover. Ich wollte ja völlig ungebunden eine Reise durch Indien machen, so wie sie sich von selbst ergab.

Sicher wollte ich zum Palmblattleser und ansonsten hatte ich zwei/drei Wünsche, was ich gerne sehen und erleben würde, das war aber nicht fix und nicht so wichtig.

Dass ich ein Visum bräuchte, erfuhr ich im Reisebüro und dass das normalerweise auch mal gerne länger als die 4 Wochen dauern könnte, die ich bis zum Abflug zur Verfügung hatte, erfuhr ich Gottseidank bei dieser Reise gar nicht, denn ich bekam es mehr als rechtzeitig.

Die Finanzierung der Reise stand auch in kürzester Zeit. Ich bekam nämlich kurz vor meinem Gang zum Reisebüro zwei voneinander unabhängige Anrufe mit der Bitte, einen bestimmten Wochenend-Kurs, den ich schon oft gegeben hatte, aber normalerweise fürs Zustandekommen selbst werben musste, im Januar zu veranstalten.

Beide Anrufer hatten Freunde und Bekannte im Schlepptau, so dass der sehr gut bezahlte Kurs komplett ausgebucht im Januar stattfand. Und zusätzlich buchte manch ein Einzelklient im Hinblick auf die kommenden drei Wochen Therapiepause noch zusätzliche Stunden vor meiner Abreise.

Ich fuhr mit so vollem Geldbeutel los, dass ich letztlich weniger als die Hälfte des Geldes brauchte und für den Rest Waren einkaufte, die ich nach der Reise in einem improvisierten Lädchen in der Garage neben dem eigentlichen Laden gemeinsam mit Modeschmuck aus Konkursen (damals auch schon) an zwei Nachmittagen pro Woche verkaufte – bis ich dann wieder in den eigentlichen Laden einsteigen musste. Aber das ist eine andere Geschichte.

Mein Gepäck bestand aus wirklich wenig Zeugs. Ich bekam es in einen kleinen Stadtrucksack und eine kleine Sporttasche. Da ich von Kleidungsgepflogenheiten in Indien, die damals eigentlich noch wichtig waren, keine Ahnung hatte, hatte ich eh die falschen Sachen mit. Und es dauerte nicht lange bis ich mir dort angemessenere Kleidung kaufte und das Mitgebrachte nach und nach in Hotelzimmern liegen ließ.

Der Flug war lang. Hannover-Frankfurt, Frankfurt-Bombay und dann Bombay-Madras. Dort angekommen, stand ich schon bald unter Schock. Ob der Menschenfülle, der Hitze, dem Staub, der Hektik und überhaupt.
Überall Menschen, die mich bedrängten, auf mich einredeten und mir irgendetwas anboten.

Ich nahm dann ein Taxi mit dem Wunsch in ein billiges Hotel gefahren zu werden. Natürlich sind sie ziemlich weit mit mir gefahren gefahren und günstig war das Hotel auch nicht.
Aber ich war erst einmal in Sicherheit. So hat sich das wirklich angefühlt.

Dort bin ich drei Tage zum Akklimatisieren geblieben. Immer mal kurz raus in die lauten, unruhigen Gassen am Stadtrand und dann wieder zum Verarbeiten all der neuen Eindrücke eine Weile zurück ins Zimmer.

Einmal wurde ich im Hotelrestaurant gefragt, ob ich mein Essen „hot“ wolle. Seitdem weiß ich, dass das in dieser Frage nicht „heiß“ heißt.
Die bedienenden Herren, die wie fast überall, wohl in angemessener Entfernung, aber im Rudel beieinanderstanden, haben sich köstlich über mich amüsiert, während sie beobachteten wie ich mit dem wirklich extrem scharfen Essen zurechtkam.

Während der drei Tage habe ich auch entdeckt, dass ich mich ziemlich weit von Bangalore entfernt befand, habe herausgefunden, dass es Nachtbusse von Madras nach Bangalore gibt und mir ein Taxi zum Busbahnhof bestellt.

Dort angekommen, konnte ich wohl ein Busticket erstehen, es ging aber das Gerücht, dass es am nächsten Tag in Bangalore einen Generalstreik geben würde.
Ab 6 Uhr morgens keine Taxen, keine Rikschas, keine Busse, Restaurants hätten geschlossen und überhaupt läge das öffentliche Leben brach.

Die einen sagten, es sei besser, nicht zu fahren und die anderen hofften, mit Glück käme der Bus vor 6 Uhr an, sodass vielleicht noch eine Rikscha-fahrt drin wäre.

Ich habe mich den anderen angeschlossen, mir einen Schwung Bananen und eine Flasche Wasser gekauft und bin in den Bus gestiegen.

𝐹𝑜𝑟𝑡𝑠𝑒𝑡𝑧𝑢𝑛𝑔 𝑓𝑜𝑙𝑔𝑡 𝑚𝑜𝑟𝑔𝑒𝑛