Donnerstag, 22. Oktober 2020

Bald 60 - 28

Zur Vorbereitung auf unsere erste Zugreise nach Holland mit Rucksack und Zelt, treffen wir uns bei einer von uns zu Hause.

Wir sind zu dritt und werden wohl 16 oder 17 Jahre jung sein. Freundinnen. Jede von uns hat das „Nötigste“, dass wir für eine Woche Campingurlaub brauchen, im Rucksack bereits mitgebracht.

 

Natürlich sind auch völlig unverzichtbare Nahrungsmittel, absolut notwendige Kleidung und wesentliche Kosmetikartikel dabei.

 

Und weil wir die Rücksäcke für zu schwer befinden, schütten wir sie in der Mitte des Zimmers, in dem wir uns am Vorabend der Reise getroffen haben, einfach aus.

 

Nun liegt alles, was wir zu brauchen dachten, aufgetürmt vor uns und wir nehmen eins nach dem anderen in die Hand, wiegen es in der Luft und betrachten es auf Nützlichkeit.

Jedes einzelne Teil tun wir dann mit den Worten „wiegt nix“ und „nimmt keinen Platz weg“ wieder zurück in einen der Rucksäcke.

 

Lediglich ein Minigläschen Marmelade bleibt zwischen uns auf dem Boden liegen. In Bezug auf das befinden wir alle einhellig, dass wir es wohl nicht brauchen werden, da wir uns dort sowieso Marmelade kaufen müssen.

 

Nach dieser Aktion sind die Gewichte gerechter verteilt, aber insgesamt ist alles genauso schwer wie vorher. Zu schwer. Und doch schleppen wir es am folgenden Tag quer durch Deutschland und Holland.

 

Damals haben wir, bis auf die Lebensmittel, auch alles wieder mit nach Hause geschleppt. Obwohl da manches dabei war, auf das wir, nachträglich betrachtet, in beide Richtungen, hätten verzichten können.

 

Etwa acht Jahre später bin ich für 3 Wochen nach Griechenland gefahren. Mit sehr begrenztem Budget und kleinem Gepäck. Ich wollte beweisen, dass ich mit sehr wenig Geld und sehr wenig Zeugs auskommen kann.

Das ist mir gelungen. Das Minizelt, das ich neben extrem wenig Kleidung und Rei in der Tube zu Beginn noch dabeihatte, habe ich schon auf der ersten Insel verschenkt.

 

Geschlafen habe ich am Strand und gegessen habe ich hauptsächlich Tomatensalat mit Brot. Das war das Billigste in den Restaurants und Brot in Olivenöl machte satt und ich fand es lecker.

 

Auf dem Rückweg war mein Rucksack fast leer, weil ich alles, was ich nicht dringend benötigte einfach weitergegeben habe.

 

Der Beweis ist mir gelungen und doch habe ich dann später immer wieder jede Menge Zeugs angesammelt, von Wohnung zu Wohnung geschleppt, wieder vieles irgendwie entsorgt, wieder angesammelt, wieder entsorgt und so weiter.

 

Im Grunde ist ja jeder Besitz, auch wenn ich ihn aktuell nicht tragen muss, irgendwie Gepäck, das spürbar ist.

Manches ist nützlich, manches einfach nur schön und manches völlig überflüssig.

 

Bevor wir nach Mallorca in das kleine Häuschen zogen, haben wir zwei Jahre lang, Dinge aussortiert, auf dem Flohmarkt verkauft, verschenkt und weggeschmissen.

Wir wussten, da ist wenig Platz und wir vermuteten, dass wir dort auch wenig brauchen würden.

 

Aber „denkste Puppe“. Nach der ersten Zeit der Abenteuerlust sammelten sich wieder jede Menge Dinge an und das waren nicht nur die Materialien und Waren zum Geldeinnehmen.

Bei unserem Umzug nach Deutschland zurück hatten wir vermutlich doppelt so viel Dinge wie zehn Jahre vorher bei der Auswanderung.

 

Jetzt wohnen wir so großzügig, dass Aussortieren nicht nötig wäre. Denn Platz ist genügend vorhanden.

Und doch empfinde ich manchen Besitz als Belastung. Alles, was ich habe, muss ich ja irgendwie pflegen. Alles braucht irgendwann irgendwelche Aufmerksamkeit.

 

Ich neige zum Immerwiederaussortieren, denn ich liebe leere Fächer im Schrank und eine Ordnung, in der ich gut überblicken kann, was ich habe.

 

Manchmal denke ich an indische Saddhus, von denen ich gehört habe, die abends ihren einzigen Besitz, die Teetasse, spülen und umdrehen. Fertig.

Falls sie morgens wieder aufwachen, nehmen sie sie wieder in Betrieb.

 

Obwohl mir die Vorstellung auch für mich gefiele, bin ich davon noch meilenweit entfernt.

 

Auf Minigläschen Marmelade verzichte ich allerdings seit damals bereits konsequent. 



1 Kommentar:

  1. oh ja,
    das Gefühl kenne ich,
    einerseits möcht man sich mit dem " Ballast" nicht belasten, empfindet ihn als unnötig und oftmals zuviel und andererseits sind es schöne Dinge an denen das Herz - warum auch immer hängt, man sich nicht trennen will.
    ich glaube ja nicht dass es was mit Ordnungsliebe zu tun hat sondern einfach an der Tatasache dass man dinge schön oder nützlich findet, sie mag, weil sie eine eigene geschichte haben und man sich an Gewisses zurückerinnert
    zumindest mir geht es so.
    aussortieren und erneut" sammeln ist eine Spezialität von mir und ich schimpfe manchmal mit mir selber.
    Dennoch Ordnung ist in jedem Chaos wenn es überblickbar bleibt und ist.
    schöne Geschichte...
    herzlichst angelface

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