Sonntag, 29. November 2020

Bald 60 - 47 (𝐹𝑜𝑟𝑡𝑠𝑒𝑡𝑧𝑢𝑛𝑔 𝑢𝑛𝑑 𝐴𝑏𝑠𝑐ℎ𝑙𝑢𝑠𝑠 𝑣𝑜𝑛 𝑢𝑛𝑑 𝑧𝑢 𝑁𝑟. 42 & 43 & 44 & 45 & 46)

Auf der Busfahrt nach Goa freute ich mich auf Sonne und Meer. Und darauf, beides miteinander zu genießen. Ich fand ein billiges Zimmer in einer privaten Unterkunft ganz nah am Strand und verbrachte neben einigen kleinen Ausflügen zu Märkten, auf denen ich schönste Ware zum Weiterverkauf fand, viel Zeit lesend am Strand.

Es war herrlich. Wunderbare Ruhe und doch viel zu schauen.
Dort zum Beispiel sah ich zum ersten Mal Inderinnen mit diesen roten Zähnen vom Betelblätter- und Betelnusskauen. Das erhöht die Speichelproduktion so, dass sie ständig blutrot spucken. Interessant und wie ich heute weiß, üblich, wachhaltend und sehr schädlich.

In Strandnähe war Goa genau das, was man sich vorstellte, wenn man von den Hippies vergangener Tage wusste, die dort tatsächlich immer noch waren und wahrscheinlich heute noch zu finden sind. Eine Art Ibiza im fernen Indien.

Knapp zwei Tage vor meinem Rückflug nach Deutschland bestieg ich wieder einen Bus. Diesmal nach Bombay (heute Mumbai). Und mittlerweile mit einer sehr großen Reisetasche voll mit Kleidung und Schmuck zum Weiterverkauf in Deutschland.

Diese Fahrt dauerte einen vollen Tag und eine daran anschließende Nacht. Unter anderem, weil der Bus zwischendurch repariert werden musste.
Während der Pausen, die der Bus dafür und darüber hinaus an kleinen Imbissstellen machte, „adoptierten“ mich zwei junge indische Männer.
Sie weckten mich zu den Haltepausen, boten mir von ihrem Proviant, warnten mich vor manchem Essen in den Buden am Wegesrand, zeigten mir, wo ich Pinkeln gehen konnte und sorgten dafür, dass ich immer rechtzeitig wieder in den Bus zurückfand. Freundlich und völlig unaufdringlich.

In der Nacht wurde ich Zeugin einer Alkoholvernichtung im großen Stil. Die Einfuhr von Alkohol ins benachbarte Bundesland war offensichtlich nicht erlaubt. An der Grenze hielt der Bus und im Stockdüstern stiegen viele Polizisten ein und durchsuchten das Gepäck aller Reisender.
Sie konfiszierten jede Flasche, die sie finden konnten und zerschlugen sie am Wegesrand. Da war einiges zusammengekommen und es roch bis in den Bus hinein extrem nach dem Alkohol, der jetzt draußen zwischen den Glasscherben in den Boden sickerte.
Ich erinnere die Stimmung als sehr gespenstisch und skurril.

Gegen Morgen fragten mich die beiden Inder, die sich meiner angenommen hatten, wo ich denn in Bombay aussteigen wollte. Darüber hatte ich mir natürlich überhaupt keine Gedanken gemacht, obwohl das bei einer Stadt von damals um die 10 Millionen Einwohnern und entsprechender Größe vielleicht gar nicht so blöd gewesen wäre.

Aber das Leben hatte mir Naivling ja die beiden Herren geschickt, die auf mich aufpassten. Ich erzählte ihnen, dass ich am späten Abend vom internationalen Flughafen aus meinen Rückflug haben würde. Also beschlossen sie, dass ich mit Ihnen in der Nähe des Juhu Beach aussteigen sollte, rieten mir, dort für den Tag noch ein Hotelzimmer zu nehmen, damit ich mich nach der Fahrt und vor dem Flug noch Duschen und frisch machen könnte.
Ich hätte dann ja den ganzen Tag noch am Strand zur Verfügung und könnte abends mit der Rikscha zum Flughafen fahren. Das sei nicht weit.

Also stieg ich, als sie mich riefen, mit ihnen aus. Sie orderten eine Rikscha und verstauten mich mit meinem und sich selbst mit ihrem eigenen enormen Gepäck routiniert in der kleinen Rikscha mit dem Plan, erst den einen von ihnen nach Hause zu bringen und dann mir ein Zimmer zu suchen.

Das Nachhause bringen gestaltete sich so, dass er mich Europäerin ins Wohnzimmer bat, und im Nachbarzimmer alle seine dort noch schlafenden Familienangehörigen weckte, damit sie mich sahen und begrüßen konnten.
Also schüttelte ich etwa 20 Hände, die zu verschlafenen in der Reihe aufgestellten Menschen gehörten, bedankte mich wortreich und verabschiedete mich unter ebenso vielen sehr freundlichen Gesten und Worten dieser netten fremden Menschen.

Zurück in der Rikscha ließ der zweite Inder den Fahrer verschiedene Hotels anfahren und fragte jeweils nach, ob sie ein freies Zimmer für mich hätten. Nichts war frei.

Bevor ich weitererzähle, muss ich sagen, dass ich mir für die Reise verschiedenes vorgenommen hatte, was ich gerne sehen würde. Fast alles hatte geklappt, nur eine Sache war noch offen.
Ich hatte bisher keinen Krishna-Tempel gefunden, den ich hätte besuchen können. Das wusste dieser junge Mann aber natürlich nicht.

Zurück zur Zimmersuche. Einen Versuch wollte mein Begleiter noch machen, sagte dem Fahrer eine Adresse und ich sehe beim nächsten Abbiegen, dass wir durch einen riesengroßen Bogen mit der Aufschrift KRISHNA TEMPLE fahren.

Daran angegliedert war ein Hotel, das ein Zimmer für mich frei hatte. Ich konnte vom Balkon aus in den Tempel gucken.

Der junge Mann brachte mich noch aufs Zimmer, gab mir seine Visitenkarte für den Fall, dass ich am Tag noch Hilfe bräuchte und verschwand!

Ich hatte einen herrlichen Tag im Tempel, am Stadtstrand und kaffeetrinkend auf der Terrasse des Holiday Inn mit Meerblick.

Als ich ausgeruht, geduscht und fröhlich am Flughafen ankam, sehe ich groß und breit an der Anzeigentafel, dass mein Flug ersatzlos gestrichen ist.

Es hieß, dass wir, die nun gestrandeten Passagiere dieser Maschine, ein Hotelzimmer bekommen könnten, da es möglicherweise am nächsten Tag einen Flug dieser Gesellschaft nach Frankfurt gäbe.

Wir könnten aber auch versuchen, kostenlos und ersatzweise von einer anderen Fluggesellschaft mitgenommen zu werden.

Mitten in der riesigen Aufregung von hektischen Reisenden, die sich schimpfend für den Transfer zu den versprochenen Zimmern anstellten, bin ich ganz ruhig von Schalter zu Schalter gegangen und habe freundlich mitgeteilt, dass ich gerne mit nach Frankfurt fliegen würde. Es kamen vier Maschinen infrage.

In dieser Gelassenheit haben sich mir 7 weitere Passagiere angeschlossen. Uns wurde gesagt, wir sollten warten und immer mal wieder nachfragen, ob es freie Plätze gäbe.

Wir haben unser aller Gepäck an einer Stelle so aufgestellt, dass wir von allen Schaltern gesehen werden konnten. Jeweils zwei von uns haben aufgepasst, sodass die anderen sich noch einige Zeit im und vor dem Flughafen bewegen konnten.

Für den Fall, dass nicht alle an diesem Abend einen Platz in einem anderen Flieger bekommen könnten, hatten wir eine Reihenfolge festgelegt, die sich danach richtete, wer am dringendsten am Morgen in Deutschland erwartet würde.

Um die Wunder dieser Reise vollständig zu machen, kam gegen Mitternacht ein hektischer Mitarbeiter von Delta-Airlines und scheuchte uns alle mitsamt dem großen Gepäck durch die Kontrolle direkt ins Flugzeug.
Wir flogen Nonstop. Und ich war 5 Stunden früher in Frankfurt als mit der ausgefallenen Maschine, die planmäßig in Dubai zwischengelandet wäre.

Es war nicht meine letzte Indienreise, aber die bei weitem spektakulärste.



2 Kommentare:

  1. spektakulär ohne Ende....also ich kann immer wieder deinen ungeheuren Mut und gleichzeitig deine grenzenlose Naivität sich auf völlig FREMDE zu verlassen und auf diese einzulassen sogar mit in deren behausungen zu gehen als absoluten Glücksfall betrachten und gleichzeitig fast kopfschüttelnd kaum glauben zu können.
    Ein fremdes Land kann sein was es will, aber die Kriminalität in Fremdländern ist enorm hoch und man muss schon sehr viel Mut haben um solche Risiken einzugehen, ich schätze aber mal dein freundlich - naives Gemüt nicht auszunutzen was sich ja angeboten hätte hat deine Begleiter sprachlos gar nicht den Gedanken aufkommen lassen.
    das war wirklich eine spektakuläre Reise, schön, -
    dass die Erinnerungen daran nicht von schlechten ERfahrungen getrübt werden...
    dennoch liest es sich erstaunlich...
    lieben Gruß angelface

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    1. Ja. Erstaunlich ist es es gewesen, aber ja möglich. In meinem Leben passieren ne Menge wundervoller Dinge. Mich daran immer wieder zu erinnern, finde ich wertvoll. Danke dir!

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