Mittwoch, 30. September 2020

Bald 60 - 12

Früher habe ich mich gefreut in ein anderes Land zu fahren und mir von dort etwas ganz Spezielles mit zu bringen, was es dort, wo ich lebte nicht gab.

Ich mochte, dass sich die Läden in europäischen Städten unterschieden. Mir gefiel, dass ich etwas hier bekam, was dort nicht bekannt war und umgekehrt.

Bis auf wenige Ausnahmen ist das heute längst vorbei. Die großen Ladenketten gibt es spätestens seit der Erfindung der Einkaufszentren in fast jeder Stadt mit mindestens einer Filiale.

In allen Filialen gibt es dasselbe. Oft auch noch gleich dekoriert. Die grünen Blusen z.B. hinten links. Mehrere in jeder Größe und das in jeder Zweigstelle.

Die produzierten Mengen von nur einem einzigen Produkt müssen ja riesig sein. Wie sieht das wohl in den fernöstlichen Fabriken aus? Produziert eine Fabrik wochenlang nur ein einziges Produkt? Die grünen Blusen müssen ja irgendwo herkommen, und der Stoff dafür und das Material für den Stoff.

Und das alles für z.B. grüne Blusen, die das zweite Waschen nicht überstehen und auch nicht überstehen müssen, weil sie eh vielleicht nicht getragen werden oder nicht lange getragen werden können, weil sie schon bald überholt sind oder vielleicht sowieso nicht verkauft werden.

Früher gab es meiner Erinnerung nach echten Schlussverkauf. Da verkauften Geschäfte, die Ware der auslaufenden Saison zu verbilligten Preisen, auch um Platz zu schaffen für neue Ware. Während eines solchen Schlussverkaufs wurden die Geschäfte von Tag zu Tag leerer. Bis sie dann mit der Ware der neuen Saison gefüllt wurden.

Heute kenne ich kaum noch Geschäfte mit Lücken. Alles ist immer voll. Ich komme in viele Städte und Städtchen und überall sind die Läden voll.

Ich frage mich, wer das alles kaufen soll oder wer das alles kauft. Oder wo das bleibt, wenn es denn gekauft wird. Wann wird das getragen? Von wem? Wohin verschwinden all die farbenfrohen Kleidungsstücke?

Eines Winters habe ich z.B. lange dick eingemummelt auf einer Hotelterrasse am Canale Grande gesessen und mir die vielen vorbeifahrenden vollgepfropften Vaporetti betrachtet. Unter hunderten von grauen, schwarzen und braunen Jacken und Mänteln gab es vielleicht 10 andersfarbige.

In den Geschäften hängen sie aber, die bunten Jacken und Mäntel. Vielleicht werden sie irgendwann vom Erdboden verschluckt oder fristen ein düsteres Dasein in Kleiderschränken, in die sie gehängt werden, um dort zu bleiben.

In den Läden jedenfalls werden sie durch neue ersetzt, denen wohl ähnliche Schicksale drohen. Nach Venedig schaffen es meiner Beobachtung nach die Wenigsten.

Die Vielfalt war es, die mir immer gefiel. Jetzt erscheint es mir, als gäbe es von allem zu viel. Und alles gleicht sich irgendwie. Ich kann keine großen Unterschiede erkennen. Obwohl mir vorgemacht wird, das Viele sei vielfältig.

Ich erinnere mich noch als vor zirka 20 Jahren der erste große Müller-Drogerie-Markt auf Mallorca in Llucmajor öffnete. Bewusst hatte ich vorher so lange Regale mit z.B. Shampoos noch nicht gesehen.
Angeblich sind das alles verschiedene Produkte, angeblich brauche ich in verschiedenen Altern, für verschiedene Anforderungen, für verschiedene Haarfarben und für was weiß ich noch immer wieder neue und verbesserte und wieder formelverbesserte Produkte.

Mich überfordert das. Ich werde verrückt vor solchen Regalen. Ich weiß bei Durchsicht nach dem fünften Produkt schon nicht mehr, was ich suche, suchen sollte oder gar kaufen wollte.

In Sachen Shampoo und ähnlicher Artikel benutze ich seit 20 Jahren einfach das Gleiche. Das erleichtert mein Leben. Ich gehe gezielt auf die bekannten Produkte los, ignoriere irgendwelche Formelverbesserungen und kaufe sie wenn sie im Sonderangebot sind, verbrauche sie nach und nach und habe ansonsten meine Ruhe.

Warum ich heute auf das Thema komme? Heute waren wir in Venlo. Eine kleine holländische Stadt direkt an der deutschen Grenze. Und dort gab es neben fast allen üblichen Ladenketten aus meiner Sicht überdurchschnittlich viele Geschäfte, die nicht zu solch großen oder gar keinen Ketten gehören.

Auch sie waren voll, auch bei ihnen habe ich mich gefragt, wer das alles kaufen soll, aber mir gefiel sehr, dass die angebotene Ware individueller wirkte.

Ich habe auch dort nichts dazu beigetragen, dass sie bestehen bleiben, aber das Betrachten der Schaufenster hat mir gefallen.

Ungefähr gleich gut wie das Ansehen der wunderschönen Blumenampeln, die die Straßen in großer Zahl verschönten.



3 Kommentare:

  1. Tja die Billigläden die ihre Waren rausschmeissen und die dennoch immer voll bleiben, die können einen schon fast zur verzweiflung bringen und überfordern, mich machen sie auch immer ein wenig kirre und je mehr auf der Stange, desto weniger schau ich sie mir an.
    Wo - wer - heutzutage und auch früher für wen - produzierte fragte sich früher keiner, heute ist man mehr umweltbewusst und wird betrogen was das Zeugs hält.
    oder kauft schnelle Plastik die kaum ein Jahr überlebt.

    wer kauft heutzutage noch in Boutiqen ein, kann es sich leisten Qualität zu kaufen wo es keine mehr gibt.
    nur noch viel zu viele Ramschläden wo zwischendrin mal Qualität hängt die man sich rausfischen kann weil sie zum Ladenhüter geworden und nicht mehr erkannt wird.
    ich liebe die kleinen privaten Läden die sich heute kaum mehr halten können, die immer weniger werden, so weicht man aus oft auf Secont Hand.
    Vielfalt ist heute kaum mehr bezahlbar. Schaut sich aber nach wie vor wunderschön an.
    Vielfalt ist aber weder in Aldi/Lidl oder bei Tschibo zu finden, da gehts überall nur ums schnelle geld das damit zu verdienen und umzusetzen ist.
    eine interessante Geschichte...
    herzlichst angelface

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    1. ... genau ... und was in Boutiquen zu höheren Preisen hängt ist manchmal qualitativ gar nicht besser oder individueller ... ein Riesenthema ...
      Dank dir fürs Ergänzen ...
      Herzlichen Gruß
      Brigitta

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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