Freitag, 18. September 2020

Bald 60 - 2

 

Wir leben seit nun fast 10 Jahren in Düren. Das liegt zwischen Aachen und Köln. Und als gebürtige Kölnerin mit Vorliebe für öffentliche Verkehrsmittel besitze ich schon lange eine Monatskarte, die Köln einschließt.

Während der diesjährigen Sommerferien konnten sich Besitzer von KVB- und VRS-Abonnements wochentags zu zweit im gesamten riesengroßen VRS-bereich mit Bussen, Bahnen und Zügen bewegen und am Wochenende sogar im gesamten NRW-Netz.

Ein Service, den wir dem diesjährigen Log-down, unserem Durchhaltevermögen (das Abo war ja „Corona“-bedingt monatelang eigentlich kaum nutzbar) und der Großzügigkeit der Betreiber der öffentlichen Verkehrsmittel zu verdanken hatten.

Wir, der „Gatte“ und ich haben das zum Anlass genommen, die Gegend, in der wir nun schon ziemlich lange leben, genauer unter die Lupe zu nehmen.

Eines Samstags haben wir zum Schweben Wuppertal besucht. So wie viele Kölner:innen auch.

Natürlich wusste ich Wuppertal mit einer Schwebebahn in Verbindung zu bringen, hatte aber keinerlei Vorstellung davon, wie beeindruckend es tatsächlich ist, mitten durch die Stadt, zwischen Häusern über die Wupper zu schweben.

Mit dem uns eigenen Glück haben wir den allerbesten Platz an der Panoramascheibe ganz hinten im Abteil bekommen und konnten so wirklich sehen, was unter uns war. Fantastisch.

Die Bahn war natürlich ziemlich voll und wegen der (Corona)-Ferienerweiterung der KVB-Tickets in den NRWraum hinein waren auch viele Kinder dabei.

Und die sind mir mit ihren Reaktionen auf meine Art zu sprechen die Allerliebsten.

Ich spreche völlig selbstverständlich und für mein Umfeld ganz normal „wie mir der Schnabel gewachsen ist“. Wer mich schon lange kennt, erkennt unter dem Brummen der elektronischen Sprechhilfe meine ursprüngliche Stimme, die ja in Ermangelung von Stimmbändern ohne Hilfsmittel nicht mehr möglich ist und doch erzeuge ich die Worte ja noch im gleichen Körper.

Wer mich nicht kennt, und vielleicht auch nicht sieht, vermutet allerdings möglicherweise einen Alien in seiner Nähe. Kann sein, dass die so klingen.

Fremde Erwachsene, die mich hören, tun üblicherweise so als wäre nichts oder manche wenden sich einfach erschrocken ab.

Kinder sind da viel direkter. Die fragen zum Beispiel: `warum sprichst du so komisch?´ oder `hä? Warum klingst du so?´ Dann sage ich, dass ich keine Stimmbänder mehr habe und das Gerät hilft, dass sie mich hören und verstehen können. Meistens ist das Thema damit erledigt und sie erzählen mir irgendetwas oder wenden sich wieder ihrer Beschäftigung zu.

Wenn sie fragen, warum ich keine Stimmbänder mehr habe, sage ich, dass ich Krebs hatte und sie mir deshalb herausoperiert wurden. Und das eine gute Sache ist, weil mich das nämlich wieder gesund gemacht hat. Normalerweise endet das Thema dann völlig selbstverständlich an dieser Stelle.

Nicht so an diesem Samstag in der Wuppertaler Schwebebahn. Zwei der Kinder nahmen nach der üblichen Einleitung, ‚warum sprichst du so komisch‘ und ‚warum keine Stimmbänder‘ das Thema Krebs auf.

Eins der Mädchen erzählte davon, dass ihre Mutter auch Krebs hatte und sie ganz doll Angst hätte, die Mutter zu verlieren, weil man ja daran sterben könne und einer der Jungs zählte alle toten Verwandten auf, die er sehr vermisste.

Die Mutter des Mädchens war dabei und tat die deutliche und klare Sorge ab. Sie lebe ja noch und sei doch alles schon so lange her. Vielleicht hat sie eine Chance vertan, sich ihrer Tochter und deren Gefühlswelt zu nähern. Wer weiß, was die beiden miteinander ausmachen.

Die Begleiterin des Jungen jedenfalls ging auf seine Erzählungen so interessiert ein, dass er sich sichtlich aufgehoben fühlte.

Ich erinnere beide Kinder und die beeindruckende Schwebefahrt gerne.

Die Ausflüge über Köln hinaus habe ich beibehalten. Seit Neuestem besitze ich eine Monatskarte für den gesamten AVV- und VRS-Bereich. In der Woche nutze ich sie alleine und am Wochenende mit dem „Gatten“ zusammen. Schöne, interessante, gemütliche Sache, das.

Kann gut sein, dass ich hier von weiteren Ausflügen berichten werde.



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