Freitag, 18. September 2020

Bald 60 - 1

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Im Moment sieht es so aus als könnte ich mich in ein paar Monaten tatsächlich wieder über einen Geburtstag freuen. Und der heißt dann, kaum vorstellbar, 60!

Als meine Mutter 60 wurde, hatte sie, wie ich heute, eine Krebserkrankung hinter sich und, anders als ich, eine schlechte Prognose. Sie konnte nicht damit rechnen, dass sie neulich 85 wurde und trotz einiger Malesten im Grunde gut drauf sein darf.

Als ich 8 Jahre alt war, wurde eine meiner Großmütter 60. Ich fand sie sehr alt, klein, steif, unbeweglich und wie gesagt sehr alt. Sie selbst vermutete bald zu sterben, weil die eigene Mutter auch nicht älter geworden ist. Dass ihr eines Tages der Bürgermeister zum Hundertsten gratulieren würde konnte sie damals natürlich nicht wissen und hätte es wohl auch nicht geglaubt.

Die andere Großmutter war mit 60 schon längst schwerhörig, von Krieg, Flucht und vieler schwerer Arbeit körperlich lädiert, konnte von damals noch zusätzlich bevorstehenden Katastrophen nichts wissen, ertrug auch die und hielt bis nach dem 95. Geburtstag durch.

Haben die drei sich je gefragt, wo die Zeit geblieben ist? Haben sie sich jemals gefragt, wie sie wurden, was sie waren und haben sie sich mit 60 gefragt, was sie in Zukunft sein wollen, was sie der Zukunft bringen wollen und was diese ihnen bringen soll?

Sollte ich mich das fragen? Oder einfach weiterleben. Immer heute. Dankbar, dass es dieses heute für mich gibt? Immer noch.

Mit ca. 37 Jahren war ich bei einem Palmblattleser in Indien. Er behauptete, dass ich dieses Leben (erst) mit 89 beenden würde. Und ich weiß noch, dass ich danach erstaunt, beseelt und glücklich mit dem immer wieder kehrenden Gedanken `Mannomann, noch mehr als 50 Jahre und ich hab‘ doch schon so viel erlebt´ durch Bangalores Straßen tapste.

Auch die zwischen diesem Tag und Heute liegenden Jahre sind zu ein paar kurzen Erinnerungsklumpen verschmolzen. Und dass, obwohl mir natürlich auch in dieser Zeit manche Ereignisse als hochdramatisch oder enorm wichtig erschienen. Weg sind sie.

Ist vielleicht doch irgendetwas geblieben? Oder wird irgendetwas bleiben? Sollte ich mich um die Konservierung einiger dieser längst vergangenen Inhalte bemühen?

Neulich, vor ein paar Jahren, hätte mir der wachsende Krebs beinahe die Luft zum Atmen genommen oder sollte ich sagen: neulich, vor ein paar Jahren habe ich mir mit meinem Krebs beinahe die Luft zum Atmen genommen?

Er oder ich? Wer bestimmt? Determination oder Freiheit?

Er war nicht erfolgreich, der Krebs. Oder doch? War dieses „beinahe“ der Grund, das Ziel und letztlich der Erfolg?

Fragen über Fragen. Vielleicht sind die wichtiger als die Antworten?

Heute jedenfalls stieß ich auf ein Zitat, in dem die Rede davon war, dass wir alle nur ein Tropfen sind im Ozean des Lebens, dass aber genau dieser Tropfen dem Ozean fehlte, wenn er nicht wäre.

Was genau da fehlte, ist vielleicht gar nicht so wichtig, zu wissen.
Oder etwa doch?

Ich bleibe „dran“.



3 Kommentare:

  1. ein wunderschöner Post übers nachdenken mit " beinahe 60 liebe Brigitte,
    irgendwann meist schon früher, oft auch später aber auf jedem Fall vor so einer runden Null vor der 6!
    mit 66 Jahren fängt das leben erst an" scheib,sang und speilte Udo Jürgens mit seinem Alter, wie alt wurde er ehe ihn das herz niederraffte?
    Es mag da noch lustig klingen, gedanken aber macht man sich schon...
    zumindest dann wirklich wenn man viel erlebt, durchlebt begonnen und wieder beendet hat.
    jetzt vor den vielleicht nächsten 20 Jahren steht,
    Wir wissen es alle nicht, das ist ein Glück, denn es könnt morgen oder übermorgen sein oder hat noch 10/20/30 Jahre zeit.
    Die Zahl ist nicht das Alter, es ist das gefühl wieviel man erlebt hat, denke ich für meinen teil.
    die rückwärtige Generation hatte es viel schwerer, wir leichter weil wir Hilfsmittel" haben, die sie weder kannten noch nutzen konnten.
    ich finde es gut wenn man sich Gedanken um das Gestern und Morgen macht ud die vergangenheit hat uns zu dem gemacht was wir im Heute sind...
    herzlichen Glückwunsch, wann kann ich es sagen?



    herzlichst angelface

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    1. Herzlichen Dank! Ich bin wieder ganz erstaunt, dass dieser Post hier entdeckt wird. Das mit dem Glückwunsch hat noch viel Zeit bis Anfang März. Da läuft noch viel Wasser den Rhein herunter:-)))
      Ich hab es als Thema genommen, wieder regelmäßig Texte zu schreiben (wenn es gut läuft täglich) ... auf meinem Facebookprofil lesen es wohl einige ... liebste Grüße :-)))

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  2. liebe Brigitta, n a t ü r l i c h, ich vermute auch du hast viele heimlich-stille LESER die i m Hintergrund - ohne zu kommentieren, mit/lesen, aber zu faul oder träge sind etwas dazu zu schreiben.
    Wems gefällt, wen es anspricht, der wird wohl früher oder später etwas dazu zu sagen haben - wenn sich jemand aufrafft!..lacht...
    Gute Autoren gibt es nicht soooo viel wie ich es mir wünsche und die geschmäcker der Gestecker sind sehr unterschiedlich.
    Bei Facebook bin ich nicht, auch nicht in anderen Sozia Medien, lese nur regelmäßig, oft täglich in guten Blogs und Homepages herum und freue mich über gute Themen und gute Inhalte die fernab von Mode und Gartenbau sind.
    (sicher auch interessant, aber weder tagesausfüllend noch abendfüllend für mich)
    eine Leseratten geht nie an einem guten Text vorbei, aber kleine Hinweise sind schon hilfreich wenn man nicht im Dschungel nicht Lesender verhungern will.
    Regelmässig Texte zu schreiben habe ich mir auch" je nach plötzlichen Einfällen" angewöhnt, deshalb ist mein "Blog auch so voll"...lacht...interessiert nur nicht jeden.ich wünsche dir einen schönen und angenehmen Sonntag.
    herzlichst angel


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