Von 1992 bis 1999 hat es existiert. Das Lädchen in einer Kleinstadt nahe Hannover.
Wir haben es
Scarabea genannt. Denn wir waren vor der Eröffnung in Ägypten und hatten noch
die fliegenden Händler im Ohr, die uns Touristen im Fünfminutentakt die kleinen
Glücksbringer anboten. Scarabäen, kleine Käfer vornehmlich aus türkisfarbenem
Stein. Scarab-Scarab, Scarab-Scarab murmelten sie, kurz bevor sie einem ein
solches Käferchen vor die Nase hielten.
Neben
Geschenkartikeln aus aller Welt fand die geneigte Kundin, der geneigte Kunde
dort Modeschmuck und später auch esoterische Artikel samt CDs und Büchern.
Es lief den
ganzen Tag ruhige Meditationsmusik und die Kunden und Kundinnen konnten sich
schon in der Tür entscheiden, ob sie den Geschäftsrundgang mit einem Kaffee
oder einem Tee bestreiten wollten.
Manch einer
und manch eine kam nur zum Entspannen, zum Quatschen oder um mich persönlich zu
besichtigen und zu entscheiden, ob eine der von mir angebotenen Kurse im
Bereich spirituelle Begleitung, Lebensberatung und einer Art Psychotherapie
etwas für sie sein könnten.
Kurzum, die
Stimmung im Laden war grundsätzlich ruhig, friedlich und gemütlich schön.
Selten gab
es unangenehme Menschen im Laden.
Und doch
erinnere ich ein paar Begebenheiten, die sich mir eingebrannt haben. Einige
haben mit dem Verhältnis von Müttern zu ihren Kindern zu tun.
Die
eindrücklichste Begegnung aus dieser Rubrik ist die folgende.
Ich stehe
mit dem Staubtuch am Modeschmuck-Regal. Räume Fach für Fach leer. Wische und
dekoriere langsam und bedächtig neu. Die Tür fliegt auf und ein etwa
sechsjähriges Mädchen stürmt forsch in den Laden. Unmittelbar verfolgt durch
seine fahrige Mutter.
Das Kind
verschafft sich einen kurzen Überblick, greift nach grünen großen Ohrringen,
hält sie, wie eine Große, kurz gegen das Licht, streckt sie der Mutter, die nur
flüchtig hinsieht, entgegen und meldet: „die will ich.“
Die Mutter
nickt kurz in Richtung des Regals und beginnt damit, sich einen Überblick zu
verschaffen.
Ich befinde
mich mittlerweile in einem anderen Teil des Ladens, denn Hilfe braucht sie
nicht. Natürlich nicht.
Sehen und
hören kann ich aber leider alles, was drüben geschieht.
Sie nimmt
ein Paar Ohrringe nach dem anderen aus der Auslage, zeigt sie dem Mädchen, das
mit der Zeit immer unwilliger wird, war es doch bereits fertig mit seiner
Entscheidung.
Die Frau
zieht es näher zu sich, erläutert die Vorzüge verschiedener Ohrgehänge und sagt
immer wieder: „oder die!“
Keine Frage,
keine Antwort, denke ich. Offensichtlich erwartet sie wohl doch Antworten, wird
von Minute zu Minute genervter und scheut sogar nicht davor zurück, das Kind
leicht an den Schultern zu packen und ein wenig zu rütteln.
Das jedoch
bleibt stoisch stehen. Mag sein, es passiert nicht zum ersten Mal. Jedenfalls
wirkt es, als sei ein Ende dieses Theaters nicht vorgesehen.
Und doch.
Plötzlich und unvermittelt greift sich die Frau kleine lila Ohrgehänge, zitiert
mich zur Kasse und beendet das Spiel in zickiger Manier.
„Bitte! Wenn
du dich, wie immer, nicht entscheiden kannst, kaufe ich halt diese hier für
mich“.
Noch heute
denke ich manchmal an dieses Kind und solche mit ähnlichen Schicksalen.
Ich hoffe,
dass sie mittlerweile in Umfeldern leben, in denen sie ihre Fähigkeit, zu
wissen, was sie wollen und was zu ihnen passt, wieder befreit leben können.
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