Die Tage stieß ich in einer Facebookgruppe Krebsbetroffener und ihrer Angehörigen auf die Umfrage einer Psychologiestudentin für ihre Bachelorarbeit zum Thema „Kriegerische Sprache“.
Die Fragen,
die sie stellt sind „Wird diese im Umgang mit onkologischen Erkrankungen
verwendet?“ und „Wenn ja, was bewirkt sie?“
Selten bin
ich begeistert von den neu eintreffenden Postings in dieser Gruppe. Sind es
doch hauptsächlich Hilferufe in sehr schwierigen Lebensphasen.
Und häufig
ist die Rede vom Kampf GEGEN den Krebs, um die Frage wie der Feind (Krebs)
BESIEGT werden kann, um die Möglichkeiten der VERNICHTUNG, um die Mitteilung,
dass jemand den Kampf GEGEN den Krebs verloren hat und Vergleichbares. Die
Krebszellen werden als bösartig bezeichnet, Chemotherapie und Strahlen als
WAFFEN gegen sie.
An der
Umfrage habe ich mich gerne beteiligt, da mir persönlich diese Art der Sprache
samt der Haltung, die sie ausdrückt, schon lange „gegen den Strich geht“.
Einen Tag
später lese ich, dass der 80jährige Rainer Langhans mit der Berufsbezeichnung
68erIkone, unheilbar an Krebs erkrankt ist.
Er erzählte
irgendeiner Zeitung (sinngemäß), dass er froh über die Diagnose samt Krankheit
sei, sie als Geschenk sähe und sehen will, ob er es nicht schaffen kann, auch
den Krebs zu lieben.
Er sagt,
wieder sinngemäß, der Krebs böte Krieg an, er aber sei Pazifist und mache da
nicht mit.
Ich selbst
habe „meinen“ Krebs ja auch als eine Art Geschenk angenommen. Ich habe keine
Sekunde gedacht, dass es eine Scheißkrankheit oder etwas ist, dass mir wirklich
schaden will.
Dafür ist
der Blick über den Körper hinaus, über die Materie hinaus natürlich hilfreich.
Mir geht es
ähnlich wie Rainer Langhans, der offenbar alles, was in seinem Leben passiert
als Herausforderung nimmt, daran zu wachsen und es sich zur Aufgabe macht, mit
Liebe darauf zu reagieren.
Zugegeben,
er ist ein extremer Typ. Ich hab‘ allerdings gerade das sehr gerne und wünsche
ihm das allerbeste.
Heute bin
ich froh, dass ich im Moment wieder einen krebsfreien Körper habe, gehe aber
davon aus, dass die Krankheit zu der Zeit als ich sie hatte, das Gesündeste
war, was mir passieren konnte. Wenn es gesünder möglich gewesen wäre, wäre mein
Körper gesünder gewesen.
Er, der
Krebs oder sie, die Krankheit, waren mir eine Hilfe innezuhalten, sie haben mir
Erlebnisse geschenkt, die ich ohne sie niemals gehabt hätte, sie ermöglichen
mir die interessante Erfahrung mit etwas weiterzuleben, das Behinderung genannt
wird. Durch sie habe ich einen großen Schritt in Richtung „nimm das Leben an
wie es ist“ getan und wer weiß, was noch, was ich jetzt noch gar nicht absehen
kann.
Ich hatte
das Glück, auf Ärzte zu treffen, die mich in aller Ruhe und mit hoher Präzision
von dem Geschwür befreit haben, als ich es offenbar nicht mehr brauchte und mir
so das irdische Weiterleben ermöglicht haben. Ein fantastisches Geschenk, wie
es das Leben ja sowieso ist.
Ich
persönlich finde es, wie gesagt, mittlerweile sehr klug, alles dafür zu tun,
das Leben so anzunehmen, wie es ist und immer davon auszugehen, dass es das
gerade wirklich Beste für mich ist, was passieren und sein kann.
Dazu gehört
auch, dass ich nach Möglichkeit keine Kriegserklärung annehme. Das fällt mir
nicht immer leicht. Manchmal kämpfe ich auch GEGEN das, was mich schockiert,
was mir Angst auslöst oder was mir so gar nicht gefällt. Und doch fange ich
mich mittlerweile relativ schnell und suche oft schon bald nach dem Verständnis
für die Situation oder nach dem Ziel, FÜR das ich kämpfen möchte, wenn ich
kämpfen möchte.
Bei einer
Krebsdiagnose glauben wir oft, GEGEN den Tod kämpfen zu müssen. Doch ist der
es, der sowieso sicher eintreffen wird, vielleicht nicht jetzt, vielleicht
nicht unmittelbar durch diese Krankheit ausgelöst, aber er wird passieren.
Klüger ist
es vielleicht, sich der Frage hinzugeben, was wirklich leben oder Leben
wirklich bedeuten könnte.
Im Falle von
Rainer Langhans und der Zeit, „aus der er kommt“ und in der er Berühmtheit
erlangt hat, heißt das vielleicht unter anderem: „Stell dir vor, es ist Krieg
und keiner geht hin“.
Oder „Make
love not war“ in der fortgeschrittenen formlosen Art.
Aber
natürlich ist diese Art des Pazifismus nur eine Möglichkeit von vielen, sich
den Herausforderungen des Lebens zu stellen.
Eine andere
Variante ist es, kriegerisch gegen den vermeintlichen Aggressor vorzugehen.
Auch das mag Vorteile bergen.
Ich bin
gespannt, was die oben genannte Umfrage ergibt und wie das Fazit aussehen wird,
das die Studentin aus ihrer Arbeit ziehen kann.
das ist einer der vernünftigsten und sinnvollsten Sätze die ich je gehört habe.Ihn bejaht wer versteht was es bedeutet nicht gegen etwas anzukämpfen sondern für etwas zu sein,und ja - auch zu kämpfen..
AntwortenLöschenJede Krankheit gibt einem ja auch die Chance der Erkenntnis der eigenen Haltung dazu und ist diese positiv und nicht (nur)negativ besetzt lebet es sich auf jeden Fall damit leichter weil vieles bewusster geschieht was man mit und für sich tut.
Wer einmal dem Schiffer von Bord gesprungen ist, weiß dass er keine Angst mehr davor hat unterzugehen...
sehr denkwürdige Gedanken von dir...
lieben Gruß angel
"Dem Schiffer von Bord gesprungen" ... so eine feine Formulierung ...
LöschenJa. Genau. Ich liebe diesen Satz ebenfalls ... auch wenn es nicht immer einfach ist, "nicht hinzugehen" ...
Herzlichen Dank dir und lieben Gruß
Brigitta