In der Chronik der Polizeigeschichte Nordrheinwestfalens der 1980er-Jahre gibt es für Januar 1983 folgenden kurzen Eintrag:
„Tödlicher
Schusswaffeneinsatz. Im Rahmen eines Einsatzes zu einem Banküberfall in Köln
wird der Täter von der Polizei erschossen. Bei einem Schusswechsel mit dem
bewaffneten Mann erleidet ein Beamter zuvor einen Handdurchschuss“.
Zu dieser
Zeit beendete ich meine Ausbildung bei der Stadtsparkasse Köln und um die geht
es in der oben genannten Mitteilung.
Der Mann,
der von „der Polizei“ erschossen wurde, war der Vater einer Mit-Auszubildenden.
Ein Mann der gehobenen Mittelschicht. Bisher nicht auffällig. Eine bis dahin
ganz normale Familie. Er hatte enorme Geldnöte, die er weder der Familie noch
dem Umfeld gegenüber zugeben wollte.
Er war
offensichtlich verzweifelt und der Überfall wohl eine Kurzschlusshandlung.
Unsere
Ausbilder berichteten uns. Die Mitschülerin sahen wir nicht wieder.
Was für ein
Grauen. Und wie unnötig.
Schon damals
dachte ich: „bloß keinen Notfallknopf drücken“ und „bloß nicht provozieren,
dass die Polizei die Zweigstelle stürmt“.
Ich stellte
mir den Täter vor, der nichts, aber auch gar nichts, zu verlieren hatte,
nachdem er bereits mit vorgehaltener Waffe in die Bank gegangen war.
Was wird er
wohl verständlicherweise tun, wenn Polizei zur Tür hereinstürmt? Ist doch klar,
dass er schießt, wenn er eine geladene Waffe dabeihat. Und dann schießt „die
Polizei“ aus Notwehr zurück.
Außerdem ist
das natürlich ein einzelner Mensch, ein einzelner Polizist, dem das zugemutet
wird, der sich das zumutet. Auch wenn er in der Formulierung „die Polizei“ unerkannt
bleibt.
So wird ja
schnell aus einer Verzweiflungstat ein Krieg und im schlimmsten Fall ein
Gemetzel. Schon damals habe ich vermutet, dass es wohl sein kann, dass der
stürmend schießende Polizist auch die Person hinter dem Schalter treffen
könnte. Ich stellte mir vor, dass das im ungünstigen Fall dann ich wäre.
Im Grunde
war ich also gut vorbereitet als ich dann meinen ersten und einzigen Überfall selbst
erlebte.
Ich hatte
mir, obwohl die Dienstanweisung lautete, auf jeden Fall den Alarmknopf zu
drücken, vorgenommen, genau das, aus den oben genannten Gründen, keinesfalls zu
tun.
In der
Geschäftsstelle saß ich hinter dem Schalter an einem Schreibtisch mit dem Blick
zur Tür, zwei Kolleginnen vor mir, hinter mir zwei Kassen und seitlich etwas
erhöht die Kundenberaterin, die den vollen Überblick über die Kassenhalle
hatte.
Kurz vor
Geschäftsschluss kam jemand mit Integralhelm auf dem Kopf durch die Tür.
Ich sah das,
bereits mit Tagesabschlussarbeiten beschäftigt, aus dem Augenwinkel und sagte
flapsig zur Kollegin, „ach, guck mal, ein Mann mit Helm“.
Noch bevor
sie gucken konnte, zog er eine Waffe und richtete sie auf mich. Und schon war
ich, so glaubte ich, mit voller Aufmerksamkeit beim Geschehen.
Er ging zur
Kasse, bedrohte die dort Stehenden und den Kassierer mit der Waffe, erhielt das
Geld und während ich noch dachte, hoffentlich drückt keiner den Knopf, war es
schon passiert. Die Kundenberaterin mit dem Überblick und dem Wissen um ihre
Pflicht hat diese erfüllt.
Aber zum
Glück ging alles so schnell, dass der Räuber bereits über alle Berge oder
zumindest durch die Tür war, als die Polizei eintraf.
Sie haben
uns einzeln verhört. Eigentlich ganz leichte Fragen. Was hatte er an? Wie sah
die Waffe aus? Was genau hat er gesagt?
Ich hätte
nicht gedacht, dass es dermaßen schwer ist, so etwas im Schock zu beantworten.
Viel später,
nach Sichtung der Kameraaufnahmen stellte sich heraus, dass meine
Beschreibungen bis auf die Sache mit dem Helm, die ich noch mit klarem Kopf gesehen
hatte, komplett falsch waren.
Ich hatte
genau genommen keine Ahnung über äußere Details und den Kolleg:innen ging es
kaum anders. Trotzdem wurden wir stundenlang verhört. Als ob das etwas nützte.
Passiert ist
niemandem etwas. Gottseidank. Wir bekamen alle einen Tag Sonderurlaub. Wann
durften wir selbst wählen, nur nicht an den Folgetagen, da mussten wir uns
bereithalten. Wegen eventueller Fragen, hieß es.
Ich hatte
noch Jahrelang ein mulmiges Gefühl, wenn ich Menschen mit Integralhelm irgendwo
gehen sah.
Es gab
Ungereimtheiten im Umfeld des Überfalls. Der Bargeldbetrag, der damals in
Kassen liegen durfte war an einer der beiden Kassen weit überschritten.
Normalerweise
hätte der Kassierer schon einige Zeit vorher eine große Summe in den Tresor im
Keller bringen müssen. Hat er aber nicht gemacht und zufällig hat der Herr mit
Waffe genau diese Kasse ausgesucht.
Ich weiß
nicht, ob jemals wirklich geklärt wurde, ob es da einen Zusammenhang gab.
In den
kurzen Meldungen in den regionalen Tageszeitungen war der erbeutete Betrag
jedenfalls angeblich wesentlich geringer als er tatsächlich war.
Das macht
man so, wurde mir erklärt, um mögliche Nachahmer nicht zu animieren.
Heute ist
eine Lüge an dieser Stelle und aus diesem Grund nicht mehr nötig, da es, soweit
ich weiß, kein Bargeld mehr im Kassenraum gibt und sich Überfälle der oben
beschriebenen Art somit schon lange erübrigen. Gut so.
das war 1983?!!!
AntwortenLöschenheute würde dir jeder Kommisar empfehlen nichts zu tun was den Täter in irgendeiner Form reizen oder aggressiv machen könnte, keiner kennt das Nervenkostüm eines gewaltbereiten Menschen alles was vermutet werden würde, bleiben Vermutungen bis der gefaßte Täter "selbst spricht.
Sich diese durch ein Geständnis bestätigt.
Interessante Geschichte....
lieben Gruß angelface
Genau. Heute wäre man klüger ...
Löschenlieben Gruß dir