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In der Runde sitzen 10 Personen
unterschiedlichen Alters, beiderlei Geschlechts und alle rekonvaleszent auf
Hockern. Ich bin eine von ihnen. Wir sollen die Arme abwechselnd nach oben und über
den Kopf führen. Wer das nicht kann, soll es so weit machen wie es geht und
sich den Rest vorstellen. Immer wieder. Der Physiotherapeut erklärt es genau.
Dem Unterbewussten sei es egal, sagt
er, ob wir die Übung wirklich ausführen oder nur bis zur schmerzenden Stelle
und uns dann den Rest denken, fühlen und so innerlich ausführen. Er
prognostiziert, dass es der Arm, den jemand jetzt infolge des neulich erfolgten
operativen Eingriffs zum Beispiel nur bis zur waagerechten Stellung heben kann,
bei regelmäßiger körperlicher Übung, bei der er sich den restlichen Weg
intensiv innerlich vorstellt, denkt und fühlt, mit der Zeit immer höher
schaffen kann.
Ich bin begeistert. Mir fehlt bei
vielen Übungen nur ein winziges Stückchen. Ich hatte wie immer viel Glück. Die
ungewollten Verletzungen während und nach meiner Kehlkopfentfernung hielten
sich in leicht überschaubaren Grenzen.
Anderen ist es schlechter ergangen.
Ihre Beweglichkeit ist ziemlich dahin und ich jubiliere ob der guten Tipps und
Übungen dieses Therapeuten, der uns das Visualisieren sehr ans Herz legt und
während dieser und ein paar anderer halbstündiger Sitzungen mit uns übt, auch
und speziell für diese Personen.
Doch kaum sind wir nach solchen
Sitzungen aus dem Raum heraus und außer Hörweite des Trainers, sind es gerade
die, für die die Tipps vermutlich speziell gedacht waren, die extrem abfällig
über die Naivität dieses, in meinen Augen, erfahrenen und klugen Behandlers
äußern.
Kicksende Lacher, abwinkende
Handbewegungen und „Tztztz“-Laute sind in der Kur, von der ich hier erzähle,
sowieso erstaunlich oft an der Tagesordnung.
Viele scheinen nur dort zu sein, weil
es die Kranken- oder Rentenkasse verlangt, konzentrieren sich darauf, dass das
Essen dort aus ihrer Sicht Mist sei, die anderen ja alle alt und krank und sie
selbst lieber zu Hause wären.
Ich wollte erst auch nicht dorthin.
Als ich aber entschieden hatte, das Angebot der Krankenkasse anzunehmen –
immerhin 4 Wochen Transport, Unterkunft, Kost, Vorträge, Sportangebote,
Massagen, Erfahrungen, Entspannungen und ähnliches frei – war ich klugerweise einverstanden
damit, dort zu sein und zu erleben und zu lernen, was es dort zu erleben und zu
lernen gab.
Jeden Tag 20 Minuten Radfahren, irgendeine
Gymnastik, eine Massage, 3 Mahlzeiten, in meinem Fall Logopädie und noch genügend
Zeit bei Superwetter durch den angrenzenden Wald oder die Gartenschau zu
latschen.
Ich kam viel fitter nach Hause als ich
hingefahren bin. Und mir war die Bedeutung von Bewegung wieder klarer geworden.
Wir besitzen nun für die Regentage ein
„Drinnen“rad, ein Rudergerät und natürlich Youtube mit den vielen
Gymnastikkursen, die ich nur mitmachen muss. An den guten Tagen fahren wir mit
den Rädern ne Runde durch echte frische Luft.
Musste ich nach den körperlichen
Aktivitäten in dieser Kur ein paar Monate nach dem Krankenhausaufenthalt noch „ewig“
warten, bis der viel zu hoch geschnellte Puls auf ein gerade noch verträgliches
Maß gefallen war, brauche ich das mittlerweile kaum noch kontrollieren.
Auch dass der Klinikchef, der neben
körperlicher Aktivität im Alltag das Essen von Salat und Gemüse in seinen
Vorträgen dringend empfahl, selbst ein gutes Vorbild war, hat mir gut gefallen.
Ich habe ihn mehrfach mit einem großen Teller Salat aus dem Speiseraum auf der
Treppe, die er statt Aufzug benutzte, getroffen.
Und auch die Warnschilder auf jeder Etage
erinnere ich noch. Sie besagten, dass direkt neben den Sauerstoffgeräten, die
viele in Wägelchen hinter sich herziehen mussten, um genügend Luft zum Atmen zu
bekommen, nicht geraucht werden durfte. Der Mindestabstand sollte einen Meter
betragen.
Daran hielten sich natürlich die
Wenigsten. Und doch blieb es einfach nur bei diesen Schildern.
Raucher ist Raucher. Daran ändert ja
eine herausoperierte Lungenhälfte nichts, oder sollte es?
Man hat dort offensichtlich gelernt,
Angebote zu machen und ansonsten die Menschen zu lassen wie sind, sein wollen
oder sein müssen.
Ich sah in den Rauchergrüppchen
außerhalb des Geländes auch einige rauchende Kehlkopflose. Entweder hielten sie
sich die Zigarette vor das Tracheostoma, so kommt der Rauch in die Lunge oder
rauchten wie üblich. Allerdings ist dann das Ziel ja der Magen. Ob das allen wirklich
klar ist?
Vor meiner Operation war ich fast 40
Jahre lang eine dieser „eingefleischten“ Raucherinnen. Meine Versuche, damit
aufzuhören, waren allesamt halbherzig und haben nie länger als einen Tag, wenn
überhaupt, geklappt.
Aber zum Glück habe ich, seit ich das
Loch im Hals habe, nie mehr eine Zigarette angefasst. Ich verstehe die
Weiterraucher, bin aber froh, dass ich nicht dazu gehöre.
Für mich musste es heftig kommen. Und
das kam es ja Gott sei Dank auch.
es ist sehr interessant gerade nach solch einer sehr schwierigen OP die weiterführende Behandlung/Reha/Kur mitzulesen und zu verfolgen, damit es sich ein Nichtoperierter auch vorstellen kann.
AntwortenLöschenJe nach Typus Mensch fügt, akzeptiert und orientiert man sich neu in ein anderes Leben oder läßt es und versucht wie vordem weiterzuleben deshalb ist es für andere schwer einschätzbar was Du und andere mit ähnlichen OP`s durchgemacht haben.
Wie lange, darf ich fragen ist die OP und Reha her?
Mich würde auch sehr interessieren wie du im Alltag damit zurecht kommst, meine Hochachtung wenn man sich sein sonniges Lächeln und der Freude am Leben nicht allzu oft beeinträchtigen lässt...
ganz liebe Grüße Angelface
Die Op war im Mai 2018 und die Reha September/Oktober im gleichen Jahr. Und danach war ich nochmal 3 Wochen im Krankenhaus, um mir die Sprechventilfistel wieder verschließen zu lassen. Hat Gottseidank auch prima geklappt. Wenn du die Krankengeschichte und die Fortsetzung mit der Fistel lesen möchtest, findest du sie dort: https://dasistschlimmoderfantastisch.blogspot.com/2018/11/wie-ich-zur-kehlkopflosen-halsatmerin.html und die Fortsetzung dort: https://dasistschlimmoderfantastisch.blogspot.com/2018/12/manchmal-ist-weniger-mehr-oder-adieu.html
LöschenInsgesamt ist es mittlerweile so, dass ich super zurecht komme und mich im Grunde gesund fühle. Ich atme halt nicht mehr durch Mund und Nase, sondern durch das Loch im Hals und spreche mit einem Stab, den ich mir unters Kinn halte.
Ich bin froh, dass es diesen Bruch in meinem Leben gab, er hat zu viel Gutem geführt und bin sehr dankbar, dass alles so gut geklappt hat.
Ärzte können Zauberer sein.
Dank dir herzlich für dein Interesse und deine vielen detaillierten Kommentare. Ich freue mich lieben Gruß Brigitta