Montag, 14. Dezember 2020

Bald 60 - 49

Das Arbeiten oder besser gesagt, das schnelle Erfassen dessen, worauf es in bestimmten Berufen und Berufsfeldern ankommt, habe ich unter anderem in meinen Zwanzigern gelernt als ich ein paar Jahre lang ganz unterschiedliche Aushilfsjobs für jeweils eher kurze Zeiträume angenommen habe.

Erstens gab es selten aufwändige Einführungen, in das, was zu tun war und zweitens sind langjährige Mitarbeiter, die sich naturgemäß gut in der jeweiligen Firma auskennen, froh über jemanden, der ihnen interessiert zuhört und bei dem sie nicht vorsichtig sein müssen, mit dem, was sie erzählen, weil er oder sie keine Konkurrenz oder besonders ernst zu nehmen ist.

 

Aushilfen werden genauso wahrgenommen und so ist das die beste Position, um einiges über Firmen, Firmenstrukturen, Menschentypen und konkrete Arbeiten, Arbeitsauffassungen und Arbeitsabläufe zu lernen.

 

Bei der Stadtsparkasse habe ich noch als Festangestellte in der Abteilung Dokumentation unter anderem oft die Aufgabe einer überforderten Kollegin übernommen.

Sie war als Halbtagskraft dafür zuständig den Pressespiegel für die Vorstandsmitglieder und leitenden Angestellten im Haus und den Geschäftsstellen zu KLEBEN!, zu fotokopieren und anschließend im Haus zu verteilen.

 

Mitte der 80er Jahre. Die beiden studierten Kollegen haben morgens etwa 15 Tageszeitungen quergelesen und angestrichen, was ausgeschnitten und aufgeklebt werden sollte. Die weiteren Ausführungen habe ich gerne übernommen.

Erstens hatte ich am Fotokopierer trotz konzentrierten schnellen Arbeitens meine Ruhe und zweitens konnte ich anschließend treppauf treppab durchs Haus marschieren und vor allem jede Menge Neuigkeiten aus den Vorzimmern der Vorstandsmitglieder aufschnappen, beobachten, bzw. erzählt bekommen.

Wissen und Kenntnisse, die sich summieren.

 

Kurze Zeit später habe ich einige Zeit im Nachtdienst im technischen Zentrum des gleichen Unternehmens gearbeitet. Die Aufgabe dort war das Beisortieren von Anlagen zu Kontoauszügen. Per Hand. Eine wirklich schöne Arbeit. Beginn war um 20 Uhr und fertig waren wir meistens kurz nach Mitternacht.

 

Dort arbeiteten hauptsächlich Mütter, deren Männer abends von der Arbeit heimkamen, die Kinder übernahmen und ins Bett brachten. Morgens zum Wecken und den ganzen übrigen Tag waren sie selbst ja wieder zu Hause.

 

Eine eingespielte Abteilung mit strenger zielgerichteter freundlicher Führung. Die Arbeit ging allen, auch mir nach kurzer Zeit, bereits so leicht von der Hand, dass wir, während die Augen und Hände sortierten, die Münder und Ohren gut und interessant beschäftigt hielten.

 

Da wir alles Frauen waren und all das noch im letzten Jahrhundert stattfand, wurden wir nachts mit Sammeltaxen nach Hause gefahren. Welch ein Service. Damals.

 

Apropos Frauen. Vermutlich im ähnlichen Zeitraum hatte ich einen kurzen Job im Frauenarchiv, das der, Ende der Siebziger Jahre von Alice Schwarzer gegründeten, Zeitschrift EMMA angegliedert war.

 

Während der PorNO-Kampagne der EMMA, in der angeprangert wurde, dass Frauen zunehmend erotisch und/oder fast nackt in den gängigen Zeitschriften und Werbungen dieser Zeit abgebildet wurden, suchten sie eine Aushilfe, die genau diese Abbildungen aus den Zeitschriften für das Archiv fotokopierte.

Damit war ich viele Tage beschäftigt und amüsiere mich noch heute darüber, dass sie so viel Akribie an den Tag legten, im Dunstkreis der erbitterten Kampagne, die speziellen Bilder einzeln herauszusuchen, statt einfach die entsprechenden Zeitschriften in Schober zu packen und abzustellen.

 

Viele Monate habe ich fast täglich in einer Frittenbude gearbeitet, in der sich die Festangestellten nicht einmal einen Arztbesuch erlauben konnten, ohne gekündigt zu werden.

 

Ein Arbeitsklima der Angst. Schon damals. Menschen, die, ungelernt auf diese Arbeit, beziehungsweise das daraus resultierende Geld, angewiesen waren, hart arbeiteten und sich doch oder gerade deshalb manch kleine Unregelmäßigkeit oder Liederlichkeit erlaubten, die, so sie denn auffielen, sofort ohne langes Zögern zu fristlosen Kündigungen führen konnten.

 

In manch einem Fall konnte ich helfen, weil ich mich, nicht sehr angewiesen auf genau diesen Job, unerschrocken für manch eine Kollegin einsetzen konnte. Oft war aber auch das vergeblich und mir wurde manchmal, trotz guter Arbeit meinerseits, angedeutet, dass sie es, wenn es mir dort nicht gefiele, gerne versuchen wollten, ohne mich zurecht zu kommen.

 

Diesen Job mochten meine WG-Mitbewohner allerdings besonders, weil ich allabendlich einige der übrig gebliebenen wunderbar belegten Baguettes und Brötchen mit nach Hause brachte. Die hätten wir eigentlich wegschmeißen müssen. Habe ich einfach nicht gemacht.

 

Aufgehört habe ich dann eines Tages von selbst dort, weil die Schikanen und Drangsalierungen vom Chef immer skurriler, ungerechter und unvorhersehbarer wurden.

 

Ich habe so manchen Laden von innen gesehen, jede Menge verschiedener Cheftypen, Führungsstile, Kollegen, Arbeitseinstellungen, Betriebsklimas und Hierarchien erlebt, beobachtet und viel gelernt. Über Menschen, Gruppen, Firmen, Erfolg und über mich.

 

Ich mag es heute noch sehr, betriebsinterne Abläufe zu sehen. Mitarbeitend, davon hörend oder einfach nur beobachtend.

Am Liebsten natürlich solche, in denen Menschen wie sie sind wertgeschätzt werden und das Klima fein ist. Am Liebsten natürlich solche. Wenn möglich.




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